Kommentar Castor-Transport nach Lubmin: Karneval mit kühlem Kopf
Der Mut der Castor-Gegner ist bewundernswert. Trotzdem täte es ihnen gut, wenn sie einsehen würden, dass sie den Transport nicht verhindern werden.
E s ist ein bisschen wie am Rosenmontag in Köln: Der Zug kommt! Und der Tanz geht los. Nur, dass auf den Gleisen zwischen Karlsruhe und Lubmin kein Karneval gefeiert wird. Vielmehr werden sich dort viele Atomgegner frierend dem Zug, der Deutschlands verfehlte Energiepolitik repräsentiert, in den Weg stellen.
Wer die Mitmach-Demokratie fordert, sollte sich ein Beispiel nehmen an Mut und Wut der BürgerInnen, die sich eher von ruppigen Polizisten rumschubsen lassen als zu Hause vor der Glotze zu sitzen. Und trotzdem täte den Transportgegnern die Einsicht ganz gut, dass es hier um symbolische Politik geht - und nicht um die tatsächliche Verhinderung eines Transports.
Denn der Castor wird sein Ziel erreichen, wie es noch alle Castoren getan haben. Und das ist auch gut so. Denn es macht mehr Sinn, unsere nuklearen Abfälle zentral zwischenzulagern und ein möglichst sicheres Endlager zu suchen. Und auch wenn sich die Lubminer über den Atomdreck aus dem Westen aufregen: Lubmin ist nicht Gorleben, wo eine umstrittene Standortentscheidung mit Gewalt durchgesetzt werden soll.
Trotz dieser Logik des Atomstaats haben die AKW-Gegner gute Argumente zu protestieren und zu blockieren - so, wie die Polizei gehalten ist, den Castor sicher ans Ziel zu bringen. Auf dem Weg dahin sollte die Anti-Atom-Bewegung ihren Widerspruch laut, deutlich und friedlich zeigen. Sie tut unserem Land einen großen Gefallen, wenn sie die Debatte über die Zukunft der Energie nicht den Kungelrunden im Kanzleramt überlässt.
Aber diese Entscheidungen fallen nicht am Bahndamm von Lubmin, sondern nach langem zähen Kampf in der Politik. Kein Castor ist es wert, dafür seinen Kopf zu riskieren. Denn diese Köpfe werden noch gebraucht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?