Castor-Transport nach Lubmin: Plutoniumsuppe im Zwischenlager

Mit wenigen Stunden Verspätung ist am Donnerstagmorgen der Castor-Transport ins Zwischenlager Lubmin gerollt. Bei Protesten wurden Demonstranten verletzt.

Donnerstagmorgen: Die Polizei räumt letzte Blockaden von der Strecke zwischen Greifswald und Lubmin frei. Bild: dpa

GREIFSWALD/LUBMIN taz/dpa | Der Castor-Transport mit hochradioaktivem Atommüll aus dem ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe ist in Lubmin angekommen. Nach rund 28-stündiger Fahrt erreichte er am Donnerstagmorgen mit wenigen Stunden Verspätung das Gelände des stillgelegten Atomkraftwerks Lubmin.

Gegen 7:20 Uhr hatte der Zug aus fünf Castoren und 14 Personenwaggons mit Bundespolizisten den Greifswalder Hauptbahnhof passiert. Auf dem letzten Teilstück hatte die Polizei zuvor begonnen, einige verbliebene kleinere Blockaden zu räumen, dabei sind mehrere Menschen verletzt worden.

Nach Angaben der Polizei zog sich ein Demonstrant bei einer Ankett-Aktion nahe Buchenhorst Schürfwunden zu. Ein weiterer sei bei Auseinandersetzungen in Kemnitz, zehn Kilometer vor Lubmin, verletzt worden. Polizisten hatten dort versucht, Atomkraftgegner an einer Gleisblockade zu hindern. Nach Angaben des Anti-Atom-Bündnisses Nordost trugen dabei aber mehrere Demonstranten blutige Nasen und Lippen davon. Das Vorgehen der Polizei sei "super brutal" gewesen, sagte Ulrike Berger vom Grünen-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern. Auch von ausgeschlagenen Zähnen berichtete sie.

Am Morgen hatten sich zwischen Kemnitz und Lubmin insgesamt gut 100 Demonstranten an mehreren Stellen auf die Gleise gesetzt. Die Polizei begann damit, die Blockaden dort aufzulösen. Zuvor hatte sie bei Ankett-Aktionen von Atomkraftgegnern an den Gleisen vier Menschen in Gewahrsam genommen.

Zu größeren Behinderungen und Verkehrschaos wie beim letzten Atommüll-Transport nach Lubmin im Dezember 2010 war es diesmal jedoch nicht gekommen. Die Zahl der Einsatzkräfte sei gleich hoch gewesen wie beim Einsatz vor zwei Monaten, so ein Polizei-Sprecher. Allerdings hatte die Polizei einen höheren technischen Aufwand betrieben. Mit Geo-Radar überwachte sie die Schienenstrecke zwischen Greifswald und Lubmin. Und auf einem Streckenstück zwischen Greifswald und Lubmin hatte sie über einige hundert Meter Flutlicht aufgebaut.

An dieser Stelle war es Mitte Dezember einigen hundert Menschen gelungen, den Transport mit einer Sitzblockade um mehrere Stunden zu verzögern. Insgesamt hatte sich damals durch Aktionen vieler Initiativen um Greifswald und an der gesamten Strecke die Ankunft des Transports aus vier Castorbehältern aus dem französischen Cadarache im bundeseigenen Zwischenlager zwanzig Kilometer östlich von Greifswald um etwa 13 Stunden verzögert.

Beim heutigen Transport hatte man offenbar aufs Tempo gedrückt und härter durchgegriffen: Eine Augenzeugin teilte der taz mit, bei Magdeburg den Zug im Auto verfolgt zu haben. Auf einer parallel geführten Bundesstraße sei es ihr nur bei Überschreitung des Tempo-Limits gelungen mitzuhalten. "100 fuhr der auf jeden Fall‚" so die Frau, die mit vier weiteren Aktivisten kurz hinter Magdeburg versuchte, den Zug durch Zeigen einer roten Handleuchte zu stoppen, einem gängigen Eisenbahn-Warnsignal, das den Aktivisten zufolge einen Stopp eigentlich vorschreibe. Der Zug ließ sich davon allerdings nicht beeindrucken und fuhr laut der Aktivistin mit unvermindert hohem Tempo durch.

Außerdem häuften sich Klagen von Aktivisten über stärkere Repressionen der Polizei, unverhältnismäßige Platzverweise und Einsatz von Pfefferspray. In Greifswald konnte am Mittwoch ein Aktivist vorm Verwaltungsgericht einen weiträumigen Platzverweis abwehren, den ihm Landespolizisten bis zum heutigen Donnerstag erteilt hatten. Das Gericht stellte fest, dass der Platzverweis ‚"sowohl formal als auch materiell offensichtlich rechtswidrig sei."

Proteste gab es zuvor auch entlang der Strecke und am Ausgangsort Karlsruhe. Bei Halle an der Saale hatten zwei Aktivisten der Organisation Robin Wood sich so an einem Drahtseil von einer Eisenbahnbrücke abgeseilt, dass die Weiterfahrt des Castor-Zugs die beiden gefährdet hätte. Die Castoren mussten etwa eine Stunde warten.

Die Abfahrt in Karlsruhe am Mittwochmorgen um 3:15 Uhr hatten mehrere hundert Demonstranten verzögert, die sich am späten Dienstagabend im Rahmen einer sogenannten Nachttanzblockade versammelt hatten. Die Polizei sprach von 400 Teilnehmern, die Veranstalter von rund 700 Menschen auf den Schienen. Schon am Dienstag hatten Aktivisten von Greenpeace mit einer Hubsteiger-Container-Konstruktion die Schienen der Castor-Strecke für kurze Zeit blockiert, bevor diese von der Polizei geräumt wurde.

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