piwik no script img

Kommentar Cannabis und MedizinKein Hanf für Kranke

Mathias Bröckers
Kommentar von Mathias Bröckers

Ein Bundesinstitut will verhindern, dass Schwerkranke Cannabis selbst anbauen – zur Linderung ihrer Schmerzen. Eine Petition könnte helfen.

Ja, was wächst denn da? Medizin, sonst nichts. Bild: dpa

D as Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. Juli eingelegt, das einigen Schwerkranken den Eigenanbau von Cannabis zur Linderung ihrer Schmerzen erlaubt hätte. „Damit wird eine finanzierbare Behandlung mit Cannabisprodukten weiterhin unnötig hinausgezögert“, kritisiert der Mediziner Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin das Verhalten der Bundesregierung. „Es ist den betroffenen schwer kranken Patienten nicht zumutbar, dass sie jahrelang für ihr Recht streiten müssen.“

Um überhaupt eine Erlaubnis zu bekommen, statt des halb-synthetisch hergestellten Cannabiswirkstoffs Tetra-Hydro-Cannabinol (THC), der unter dem Namen „Dronabinol“ verschreibungsfähig ist, auch natürliche Cannabisblüten als Medizin erwenden zu können, mussten Patienten schon bis vor die höchsten Gerichte ziehen.

Seit 2009 ist das BfArM deshalb verpflichtet, in besonderen Fällen Ausnahmegenehmigungen zu erteilen. Etwa 200 Patienten können seitdem aus Holland importierte Hanfblüten über ihre Apotheke beziehen. Freilich zu einem Preis, der für viele Patienten nicht finanzierbar ist, weshalb sie den deutlich preisgünstigeren Eigenanbau vor dem Verwaltungsgericht erstritten.

Dass das Bundesamt gegen dieses Urteil vorgeht, macht einmal mehr deutlich, dass eine solche Behörde an einem Pharmastandort wie Deutschland weniger das Wohl des Patienten im Auge hat, sondern eher die Lobby der Industrie im Nacken. Sowie die gefühlte Abhängigkeit von einem (längst verlorenen) „war on drugs“.

Anders ist es nicht zu erklären, warum sich die Regierung hierzulande päpstlicher als der Papst des heiligen Drogenkriegs selbst, die USA, gebärdet. Dort können sich mittlerweile über eine Million Patienten mit der Medizin ihrer Wahl auf unbürokratische Weise selbst versorgen. Umso wichtiger ist es, mit der derzeit laufenden Petition an den Bundestag eine solche Reform endlich auch in Deutschland durchzusetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mathias Bröckers
Blogwart
Jahrgang 1954, ehemaliger Blogwart von taz.de; gehörte zur Gründergeneration der taz, war Kulurredakteur bis 1991, erfand die Seite „Die Wahrheit“, danach Kolumnist für die „Zeit“, die „Woche“ und Wissenschaftsautor im ARD-Radio. Schrieb zahlreiche Bücher, darunter internationale Besteller über Hanf (1993) und den 11.9. (2002, 2011), bloggt seit 2004 und beriet die taz seit 2006 bei ihrer Online-Entwicklung.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Where have all the flowers gone?

    Wo sind all die Kommentatoren hier (nicht nur bei diesem Artikel) nur, wenn ich draußen auf der Straße, im job oder wo auch immer bin...

  • .

    *****************

    ** Keine Macht **

    ** den Doofen! **

    *****************

    .

  • Die Petition ist gut und auch sinnvoll, dennoch mein Vorschlag, baut euch Hanf selber an, denn egal, wie die Gerichte urteilen, etwas ziviler Ungehorsam hat noch nie geschadet.

  • wie man hören konnte, ist Cannabis , auf Rezept ??, fast unerschwinglich, naja lieber verbrennt man das ilegal ins Land gebrachte und hält den Preis eben hoch, und klar, baut jemand Hasch an, kommt sicher einer auf die Idee hinten im Garten ein Mohnfeld anzulegen, oder was weis ich ! also, sollen die Kranken halt die Zähne zusammenbeissen !

  • Einfache Erklärung!

    Beim Eigenanbau kann ja niemand mehr mitverdienen. DAS geht ja nun gar nicht!

    Wer in diesem Lande immer noch denkt, es würden zumindest ab und zu mal Entscheidungen zugunsten der Menschen getroffen, ohne das noch jemand Drittes da schon mitkassieren kann, hat unser System noch nicht begriffen!

  • Die Bürger in Deutschland sind mündig genug solche Dinge selbst zu Entscheiden und zu erkennen ob es nur um Sicherung von Macht und Finanzinteressen geht!

    Ob es jetzt zu einer Gesetzesänderung bzw. Umsetzung kommt ist weiter fraglich und spielt auch nur für die Ehrlichen Staats-und Obrigkeitshörigen eine Rolle.

    Mittlerweile ist auch kaum noch jemand so "altbacken Obrigkeitshörig" und macht sowieso wie Sie oder Er möchte, ob mit oder ohne staatlichen Schutz oder Bevormundung! Ich kenne etliche Selbstversorger und Unterstütze das in jeglicher Form!

  • Das ist - mit Verlaub - hübsch -

     

    waren es doch nach dem BVerwG in Leipsch -

    gerade die Richter im ostwestfälischen Münster,

    die die ja allein erstinstanzlich zuständigen

    kölschen Richter -

    auf den Weg der Tugend geführt haben;•