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Kommentar CSUSchwächeln und pöbeln

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Das, was die CSU derzeit in Sachen Integration von sich gibt, ist reine Stimmungsmache. Das hat sie wohl auch nötig nach der Guttenberg-Blamage.

A ls der neue Innenminister Hans-Peter Friedrich kürzlich erklärte, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, da konnte man dies mit etwas gutem Willen für einen Irrtum halten: Der Mann hatte halt noch nicht verstanden, dass er nun als Minister redet, nicht mehr als CSU-Parteipolitiker. Diese Einschätzung war leider falsch: Die CSU meint es genau so, wie sie es sagt. Sie setzt auf krachende Symbolpolitik.

Nichts anderes bedeutet der Vorschlag des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Er will Migranten per Verfassungsänderung zur Integration verpflichten, außerdem zum Bekenntnis zur deutschen Sprache. Das ist Stimmungsmache, eine "Wir gegen die"-Geste. Die Zeiten, als die CSU über die für Verfassungsänderungen nötige Zweidrittelmehrheit verfügte, sind zwar vorbei. Doch die CSU will die Bürger per Volksbegehren für ihre Kampagne mobilisieren. Es ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein Ministerpräsident für eine politische PR-Kampagne mal eben so mit der Verfassung hantiert.

Der Zweck dieses Manövers ist durchsichtig. Die CSU ist nach Guttenbergs Abgang verunsichert, die Migrantenpolitik ist das nächstliegende Ventil, um Dampf abzulassen. Man erkennt darin das alte, trübe Muster jeder Identitätspolitik. Wir wissen nicht mehr, wer wir sind, deswegen sind wir umso härter gegen die anderen.

Bild: taz

STEFAN REINECKE ist Redakteur im Berliner Parlamentsbüro der taz.

Dabei wirkt die Rolle des Einpeitschers, der der Basis sagt, wo es langgeht, bei Seehofer wie eine Maskerade. Der CSU-Chef ist ein politischer Spieler, wankelmütig in seinen Ansichten, giftig ironisch gerade gegenüber dem eigenen Lager. Als Leuchtfigur einer verunsicherten Partei ist er nur bedingt brauchbar. Gerade deshalb klingt bei Seehofer vieles wie eine Überkompensation, etwa die Kampfansage an Stasi-Kommunisten und die Grünen als Steinewerfer-Partei. So tönt eine Partei, der die Feinde abhandengekommen sind.

Das ist gewiss die unvermeidliche Hysterie einer früheren Staatspartei, die nicht begreift, dass es nie wieder so wird wie früher. Und mehr: Es ist rechter Populismus.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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12 Kommentare

 / 
  • JA
    J. Amazonas

    Aufklärung und kritisches Denken hat zunehmend ein Imageproblem. Wie kann es sonst sein, dass die Massen dem Plagiator Guttenberg den "Anstand" und dem Ehebrecher Seehofer die "christliche Leitkultur" abnehmen? Wie kann auf den ersten Blick erkennbarer Populismus so attraktiv sein? - Das Comeback der Dunkelmänner macht Sorgen.

  • DG
    Dirk Gober

    @Svenja Gabor und Stimmvieh:

    OK, der Kampf für die Revolution (wählen Sie sich aus, ob kommunistische oder islamistische; die taz bedient ja beide Seiten) hat Ihnen wohl keine Zeit für die Erlangung von Wissen gelassen, sonst wüßten Sie, daß:

     

    a) das ursprünglichste Deutsch in der alemannischen Gegend gesprochen wird (also im Süden/Südwesten Deutschlands),

    b) das sog. "Hochdeutsch" nur deswegen eine exponierte Stellung hat, weil ein eidbrechender, versoffener, antisemitischer Pfaffe vor einigen 100 Jahren einen bestimmten Zungenschlag für die Übersetzung der Bibel aus dem Lateinischen gewählt hat.

     

    Wie lebt es sich denn so mit dem ständigen Minderwertigkeitsgefühl gegenüber dem Süden des Landes, welches die taz-Leserschaft immer wieder in unkontrollierte in Worte gefasste Krämpfe stürzt?

  • W
    Werner

    Naja, es mag Populismus und Identitätsersatz sein, ich traue der CSU auch nicht mehr zu.

     

    Trotzdem ist es in Integrationsfragen schon ein Unterschied, sich auf kriminelle Ausländer einzuschießen oder die deutsche Sprache massiv puschen zu wollen.

    Die ist ja unerlässlich für die Integration, da beißt die Maus ja keinen Faden ab.

     

    Statt reflexhaft Populismus anzuprangern, nur weil es von der CSU kommt, könnte man das doch als Anlass nehmen, die Regierungsparteien knallhart auf eigene politische Forderungen festzunageln:

     

    Dass in Deutchkurse zum Beispiel gefälligs jede Menge Geld zu fließen hat und das Zugezogene einen Rechtsanspruch auf Teilnahme und erschwingliche Preise haben müssen.

    Und jedes Migrantenkind Recht und Pflicht auf kostenlosen Kindergartenplatz samt Sprachtests und -förderung.

     

    Diese Chance zu verpassen, nur weil es sich geil anfühlt, auf die CSU schimpfen zu können, ist echt arm.

  • D
    deviant

    Bayern gehört nicht zu Deutschland und es hat vor 1871 auch nie zu Deutschland gehört! Es wird Zeit, dass wir diese Bismarck'sche Verirrung endlich beenden und die Bayern loswerden - sie sind der deutschen Kultur einfach zu fremd!

     

    Gegen Bazis!

  • F
    Fordler

    1."Der Mann hatte halt noch nicht verstanden, dass er nun als Minister redet, nicht mehr als CSU-Parteipolitiker".

    Das heißt, Sie sehen es als aufrichtiger an, wenn jemand nach seiner Ernennung zum Minister etwas anderes sagt als vorher.

    2. "Es ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein Ministerpräsident für eine politische PR-Kampagne mal eben so mit der Verfassung hantiert".

    Hier Ihre eigene Erklärung, wie eine Verfassungsänderung legal zustande kommen kann:

    Verfassungsänderung von oben: Bei der Initiative von oben bringt eine Fraktion den Gesetzentwurf für eine Verfassungsänderung in den Landtag ein. Wenn dieser mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wird, muss danach eine Volksabstimmung stattfinden. Die Verfassungsänderung tritt in Kraft, wenn sie im Referendum mehr Zustimmung als Ablehnung erhält.

     

    Die Bestätigung einer Verfassungsänderung per Volksentscheid ist eine bayerische Besonderheit. Auf Bundesebene genügt für Grundgesetzänderungen eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Nur Hessen hat eine ähnliche Regelung.

     

    Verfassungsänderung von unten: Bei einem Volksbegehren müssen zehn Prozent der Wahlberechtigten für den Vorschlag stimmen. Wenn er im Landtag keine Zweidrittelmehrheit bekommt, findet ein Volksentscheid statt. Die Verfassungsänderung kommt zustande, wenn mehr Bürger mit Ja als mit Nein stimmen und zugleich die Ja-Stimmen mindestens 25 Prozent der Wahlbevölkerung ausmachen. (chr)

    Also was ist hier verwerflich, illegal oder ein Spiel mit der Verfassung??

  • P
    Populist

    Und Äußerungen von einem geregelten Grundeinkommen (etc.) und der widersprüchlicher Umweltwahn der "Steinewerferpartei" sind keineswegs populistisch?

     

    Es ist doch leider so, dass sich der Großteil der Bevölkerung gar nicht gründlich politisch informiert. Und da sich vernünftige Argumente ohne wirkliches Verständnis schlecht erklären lassen, hilft dort der Populismus aus.

    Bei knapper Zeit bekommt beim Leser eben ein Artikel mit präsentem und polarisierendem Titel den Vorzug.

    Das Ergebnis sieht dann so aus:

     

    Linke: Rächer der Mittellosen

    Grüne: politisch korrekte Umweltschützer

    SPD: Gutmenschen

    CDU: Konservartive, biertrinkende Mercedesfahrer

    FDP: Klientelpartei der neoliberalen Weltverschwörung

    Islamkritische Bündnisse = rechtspopulistische "Bild"-Leser

     

    Kein aufgeklärter Mensch würde sich von diesem populistischen Unfug beeinflussen lassen.

  • MI
    Migrant in Bayern

    Lieber Herr Reinecke,

     

    was machen Sie denn Anderes? Sie ploemisieren doch auch nur gegen die CSU und Seehofer. Dier CSU war nie eine Staatspartei, wie zum Beispiel die SED, der Sie ja näher zu stehen scheinen. Das was Seehofer frodert, für die bayrische Verfassung übrigens nur, die immer von Bundesrecht gebrochen wird/würde ist lediglich, das Migranten deutsch lernen sollen. Was ist daran verkehrt? Sind Ihnen ungebildete Mitbewohner lieber, die man herrlich über den Tisch ziehen kann, weil sie unsere Sprache nicht verstehen?

     

    Ich lebe seit 13 Jahren als Migrant in Bayern, ich in froh auch bayrisch im Ansatz zu verstehen, sonst würde es sowieso schwierig. Allerdings habe ich einen großen Vorteil, schon meine Eltern hatten einen deutschen Pass. Meine schlechte Schulbildung verdanke ich meinem in Bayern tief verachtetem Heimatland, katholisch bin ich auch nicht, aber was solls. Merkt man ja nicht gleich, auf der Strasse oder so.

     

    Ich habe noch immer tiefe Wurzeln in der Heimat meiner Eltern und ich fahre auch immer wieder mit dem Auto dorthin, um meine Landsleute in Hessen zu besuchen.

  • S
    Stimmvieh

    "Er will Migranten per Verfassungsänderung zur Integration verpflichten, außerdem zum Bekenntnis zur deutschen Sprache."

     

    Ein Bekenntnis zur deutschen Sprache würde ich mir aus Süddeutschland ebenfalls wünschen. Es gibt Regionen, gerade in Bayern, da kann man das, was die Eingeborenen da sprechen beim besten Willen nicht mehr als Deutsch bezeichnen. Und in Baden-Württemberg geben die sogar damit an, "alles außer Hochdeutsch" zu können.

    Vielleicht sollte die Union hier erst einmal vor der eigenen Haustüre kehren...

  • P
    piccolomini

    sobald jemand in der republik etwas zum thema integration von sich gibt, setzt die vernunft und die rationalität aus und die emotionen kochen hoch. dabei wird jede aussage, die einwanderer nicht fördert, sondern fordert, als rechter populismus stigmatisiert.

    damit macht man es sich zu einfach und verschließt die augen vor den meinungen und den ängsten vieler menschen in diesem land. sicherlich, ein sarrazin hilft niemandem. aber die ständige reflexartige empörung linker medien auch nicht.

  • A
    Alberto

    Das kann man genau so unterschreiben, Stefan!

  • AF
    Axel Foley

    Jetzt sollte klar sein: In Deutschland herrscht der permanente Aschermittwoch. Friedrich und Seehofer sind wohl nur zwei Momente eines vielfältigen körperlichen Beschwerdebilds. Vollständig entfaltet es sich erst unter der wiederholten Beschwörung des Anderen. Der sog. politische Aschermittwoch ist die nachholende Ankündigung eines geistigen Suizids, der im politischen Alltag längst vollzogen ward. Für eine Intervention ist es jetzt zu spät.

  • SG
    Svenja Gabor

    Wie wäre es, wenn die Bayern selber mal deutsch lernen würden?