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Kommentar CDU und StaatsbürgerschaftPolitik nur mit Ausgrenzung

Kommentar von Christoph Herwartz

Die CDU will die doppelte Staatsbürgerschaft wieder abschaffen. „Wir“ oder „die“ – die Parteibasis unterstützt noch immer Politik von gestern.

Wird den Beschluss wohl nicht umsetzen: CDU-Parteichefin Angela Merkel Foto: dpa

E s gibt Beschlüsse, von denen jeder weiß, dass sie nie in echte Politik umgesetzt werden. Der Parteitagsbeschluss der CDU zur Optionspflicht ist so einer. Seit 2014 gibt es einen Kompromiss zwischen Union und SPD, der besagt, dass in Deutschland geborene Kinder die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen können, wenn die Eltern lange hier leben – und dass sie gleichzeitig die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern behalten können. Sofern die CDU nicht mit der AfD koalieren will, wird sie keinen Partner finden, mit dem sie diesen Kompromiss wieder zurückdrehen könnte.

Trotzdem hat sich die Mehrheit der in Essen versammelten Delegierten dagegen positioniert. Der Beschluss ist ein Signal, das sich an drei Empfänger richtet: an die SPD, an Menschen mit Migrationshintergrund und an die eigene Parteiführung.

Der SPD ruft die CDU ein „April, April“ zu, wie es Innenminister Thomas de Maizière nannte: Trotz eines mühsam ausgehandelten Kompromisses macht sie das Thema wieder auf. Fatal ist die Botschaft an diejenigen, die nun das Recht auf eine doppelte Staatsbürgerschaft verlieren sollen. Ihnen sagt die CDU, dass eine Identität, die sich aus zwei Quellen speist, nicht in ihr Gesellschaftsbild passt.

In ihrem Leitantrag spricht die CDU weiter von „Leitkultur“ und neuerdings auch von einer „Schicksalsgemeinschaft“, die angeblich diejenigen bilden, die in Deutschland leben. Auch hier geht es darum, ein „wir“ und ein „die“ zu definieren. Entweder man gehört dazu oder nicht. Grautöne sollen nicht erlaubt sein.

Die Parteispitze hat längst eingesehen, dass dies eine Politik von gestern ist. Wer sich zu einer vielfältigen Gesellschaft bekennt, der muss offen sein für Neues. De Maizière, der sich sonst als Law-and-Order-Mann inszeniert, bezeichnet den Beschluss als einen „Stoß vor den Kopf“ der Betroffenen. Merkel erklärte bereits, sie werde sich an die Koalitionsvereinbarung halten.

So harmoniebedürftig die Partei ist und so diszipliniert sie sich hinter eine Vorsitzende stellt, wenn sie keine bessere Alternative sieht – so weit hängt sie dieser Vorsitzenden doch hinterher, wenn es darum geht, den Wandel der Gesellschaft zu akzeptieren. Die Funktionäre der CDU kommen, das haben sie in Essen klargemacht, bei der Definition ihres eigenen Standpunkts nicht ohne Ausgrenzung anderer aus.

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20 Kommentare

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  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Sachlich betrachtet ist nicht die Doppeltestaatsbürgerschaft das Problem, sondern die Vermischung bzw. parallele Anwendung zweier Unterschiedlicher Erwerbsmöglichkeiten. Ein mal das Abstammungsprinzip (Ius sanguinis), das für die "Deutschen" gilt und dann das Geburtsortprinzip (Ius soli) das für Einwanderer bzw. deren Nachkommen gelten soll. In dem die deutsche Regierung die Nachkommen von Einwanderern durch das Geburtsortprinzip quasi beschenken will und gleichzeitig die Türkei für seine Türken im Ausland weiterhin das Abstammungsprinzip anwendent kommt es eben bei einigen Einwanderern in Deutschland zu doppelten Staatsbürgerschaft. Da beide Staatbürgerschaften auf zwei verschiedene Arten erworben wurde und zwischen Deutschland und Nicht-EU-Staaten keine Regelung für diesen Fall gibt, kann es (muss es aber nicht) zu rechtlichen Konflikten kommen. (Innerhalb der EU ist die doppelte Staatsbürgerschaft geregelt und es gibt keinerlei Probleme und Konflikte). Ergo muss nicht zwingend die doppelte Staatbürgerschaft per se abgeschafft werden, viel mehr das Verhältnis bzw. die vertraglichen Regelungen mit einigen Herkunftsstaaten der Einwanderern überdacht werden.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @4845 (Profil gelöscht):

      Die doppelte Staatsbürgerschaft an sich kann die Union also gar nicht abschaffen, denn dort wo sie durch zwei Eltern bzw. Großelternteile jeweils über Abstammungsprinzip von Geburt an entsteht hat die deutsche Regierung keine Handhabe und völkerrechtlich keine Möglickeiten. Dort wo sie jedoch durch die eher inkonsequente Doppelanwendung von Geburtsort- und Abstammungsprinzip entsteht, dort kann die deutsche Regierung das ohnehin eher undurchdachte Geburtsortsprinzip von deutscher Seite wieder abschaffen.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Bei den (dem Namen nach) Christen hört die Menschenrechtsfrage oft schon beim Nachbarn, spätestens aber an Grenzen und Ausweispapieren auf.

  • Man will seitens der CDU ein "Bekenntnis" zu unserem Land. Was ist das für ein Staatsverständnis? Wer soll denn bitte schön wem dienen? Der Mensch dem Staat? Ein republikanisches Verständnis ist das nicht. - Und dieses Geschwafel von "Schicksalsgemeinschaft" ist purer Nationalismus.

  • Die doppelte Staatsbürgerschaft machte es möglich, dass im Sommer Tausende in Köln grundgesetzwidrig und erdoganhörig für die Einführung der Todesstrafe skandierten.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Chutriella:

      Der Zusammenhang zwischen doppelter Staatsbürgerschaft und der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit erschließt sich mir nicht.

      Da sollten Sie noch nachlegen.

  • WOW, wie man an den Kommentaren sehen kann: Hier in der TAZ wird ja sogar kontrovers diskutiert, und auch noch über ein heikles Thema, und sogar Gegenpositionen zum links-gestrickten Autor werden artikuliert, man, wo bleibt denn da die Nazi-Keule? Wie kann man diesen rechten Kommentatoren-Dumpfbacken hier auf dieser Plattform der reinen Lehre auch noch ein Forum geben?

    Gewisse Kommentare gehören hier nicht hin, das sollte man schon kontrollieren.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Hans-Peter Klein:

      Sind Sie neu hier?

  • "(...) Die Funktionäre der CDU kommen, das haben sie in Essen klargemacht, bei der Definition ihres eigenen Standpunkts nicht ohne Ausgrenzung anderer aus."

     

    Und das kurz vorm Jubeljahr für Meister Luther, einem der christlichen Vordenker des Umgangs mit Minderheiten.

  • merkel-medien wie die Taz, ARD, ZDF zensieren ständig die Tatsachen und empören sich, wenn jemand versucht, Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Natürlich haben auch die Merkel-Medien kein Rezept gegen explodierende Kriminalität und Asylmißbrauch

    • @Franz Vege:

      Bitte keine offensichtlichen Lügen verbreiten. Es gibt weder eine explodierende Kriminalität noch einen explodierenden Asylmissbrauch.

  • Ich verstehe nicht, was daran unzumutbar sein soll, dass sich jemand für eine Staatsbürgerschaft entscheidet. So wird der deutsche Pass halt zusätzlich beantragt, weil er Vorteile bringt, sonst gar nichts. Das ist dann nichts Halbes und nichts Ganzes. Wenn man will, dass sich Menschen tatsächlich integrieren, fängt das meiner Meinung nach da an. Dass man sich entscheidet Deutscher zu werden. Und nicht z.B. (vom Selbstverständnis her) Türke, der nebenbei auch einen deutschen Pass hat, damit er formell als Deutscher gilt. Ich widerspreche auch Özdemir: Wer will, dass sich die Menschen z.B. von Erdogan abwenden (wie er erwähnte), der sollte auch abverlangen, dass akzeptiert wird, dass Deutsche eben nicht Erdogan wählen können... Hinzu kommt ja auch, dass die Türkei nach wie vor die sog. Deutschtürken als ihre Bürger betrachtet. Das geht bis in Familienpolitik, Kindergeld usw. hinein. Jeder Deutschtürke ist in der Türkei genau erfasst. Erdogan versprach im Wahlkampf, dass Deutschtürken von der Türkei Kindergeld erhalten. Darum hat ihn ein Bekannter von mir (hier geboren) gewählt, wie er mir erzählte.

    • @Jens Egle:

      "nichts Halbes und nichts Ganzes"

       

      Mehr ist nicht hinzufügen.

      • 4G
        4845 (Profil gelöscht)
        @ulf hansen:

        Ich bin sowohl Pole als auch Deutscher und beides ganz...

  • Ein nachvollziehbares Argument für die doppelte Staatsbürgerschaft kann der Auto nicht liefern. nur eine Menge Empörung. Man kann sehr wohl eine Identität haben, die sich aus zwei Quellen speist und nur einem Pass haben. Kenne selbst zahlreiche Beispiele.

  • Genau, so geht Demokratie: Der Parteitag beschliesst einen (zwar erwiesenermassen dämlichen) Antrag, und die Vorsitzende sagt dann, dass sie diesen Beschluss blöd findet und nicht umsetzen wird.

    Weitere 3000 Stimmen für die AfD...

    • @Blacky:

      Die Annahme hier ist, dass CDU-Wähler wert auf Demokratie legen. Das haben sie noch nie gemacht.

      • 8G
        80576 (Profil gelöscht)
        @Yoven:

        Hübsches Pauschalurteil! Woher haben Sie dieses "Wissen"?

  • Aber wieso ist es für die Integration so wichtig die Staatsbürgschaft der Eltern zu

    behalten. Der Artikel erläutert das explizit nicht.

    • @Voilodion:

      Exakt. Ich würde intuitiv sogar sagen, dass es der Integration hilft, wenn die Menschen ermuntert werden sich zum Land in dem sie leben explizit zu bekennen und es nicht nur als eines von vielen betrachten.

       

      Natürlich habe ich dafür keine Belege, aber das haben die Gegner dieser Haltung eben auch nicht.

       

      Auch Herkunft lasse ich nicht gelten. Ich "unterdrücke" doch auch nicht meine Herkunft als Schwabe, wenn ich nach Hamburg ziehe und meine alte Adresse auf dem Perso überschrieben wird.

       

      Das Argument Globalisierung und Weltbürgerschaft ist auch völliger Blödsinn. Demnach sollte man Pässe ganz abschaffen oder zumindest eine EU-Bürgerschaft völlig ohne nationale Staatsbürgerschaft einführen (nicht wie jetzt in Kombination).

       

      Beides macht man aus sehr guten Gründen eben nicht.