Kommentar CDU-Parteitag: Merkels Reise ins Ungewisse
In der CDU gibt es eine latente Sehnsucht nach wirtschaftspolitischer Führung. Diese wird der Kanzlerin offenkundig nicht befriedigt.
Ralph Bollmann ist Leiter des Parlamentsbüros der taz.
Es ist ein Krisenparteitag, den die CDU derzeit in Stuttgart abhält. Den aufkeimenden Streit um rasche Konjunkturprogramme und Steuersenkung hatte die Vorsitzende zwar kurz zuvor mit knapper Not erstickt. Sie konnte aber nicht verhindern, dass aus dem geplant schwungvollen Start ins Wahljahr nun eine Reise ins Ungewisse wird. Es gibt in der Partei eine latente Sehnsucht nach wirtschaftspolitischer Führung, die von der Kanzlerin offenkundig nicht befriedigt wird - und nicht befriedigt werden kann, weil die Fliehkräfte in entgegengesetzte Richtungen wirken.
So fordert der ehemalige Fraktionschef Friedrich Merz unter dem Beifall der Delegierten die schnelle Senkung der Einkommensteuer, unter gleichermaßen heftigem Applaus verlangt der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers mehr Patriotismus von den Unternehmern. Angela Merkel rettet sich in die wolkige Formel von der sozialen Marktwirtschaft, die vor allem einen Vorteil hat: Sie überlässt es jedem einzelnen Zuhörer selbst, ob er sich lieber ans Soziale hält oder lieber an den Markt.
Dabei stimmt es längst nicht mehr, dass die Krise alle ratlos macht. Das traf für die erste Phase im Oktober zu, als der drohende Kollaps des Finanzsystems die Akteure sprachlos machte. Längst haben sich die Verwalter der alten Gewissheiten wieder gefangen. Wer schon immer niedrigere Abgaben wollte, nutzt die Krise jetzt als günstige Gelegenheit - auch wenn gerade die Steuersenkungen der rot-grünen Zeit demonstriert haben, dass die Konjunktur davon noch lange nicht profitiert. Wer schon immer mehr Staat propagierte, sieht sich nun ebenfalls bestätigt - auch wenn die Wirksamkeit öffentlicher Konjunkturprogramme spätestens seit den Siebzigerjahren als zweifelhaft gilt.
Mit knapper Not hat Merkel die Mehrheit der Partei hinter der Parole versammelt, an einem sinnlosen Wettlauf um die Verteilung der Milliarden wolle man sich nicht beteiligen. Für Merkel als Kanzlerin ist das eine sinnvolle Position - der CDU als Partei wird das auf der Suche nach einem Profil in der Wirtschafts- und Sozialpolitik aber kaum weiterhelfen. Für das Wahl- und Krisenjahr 2009 ist das ein großes Risiko.
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