Kommentar CDU-Machtkampf: Alternative zum Nörgeln
Im ZDF-Interview verspricht Merkel dem Parteinachwuchs Machtteilhabe. Jetzt schielen alle auf das Amt des Generalsekretärs.
M ag sein, dass bei der SPD gerade mächtig Druck im Kessel ist. Aber das bewahrt die CDU nicht davor, nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen ebenfalls Stresssymptome zu entwickeln. In einem Interview mit dem ZDF hat deren Chefin gerade personelle Erneuerungen angekündigt. Um es gleich vorwegzunehmen: Sich selbst meint Angela Merkel nicht damit.
Im Gegenteil: Merkel bekräftigt auf Nachfrage ihre Zusage, diese Legislaturperiode komplett voll zu machen. „Die vier Jahre sind jetzt das, was ich versprochen habe. Und ich gehöre zu den Menschen, die Versprochenes auch einhalten“, sagte Merkel. Das gelte auch für den Parteivorsitz. „Für mich gehören diese beiden Ämter in eine Hand, um auch eine stabile Regierung bilden zu können. Dabei bleibt es.“
Das mag manchen wie eine Drohung klingen. Aber Gegenfrage: Was wäre denn staatsfraulich wünschenswert? Angela Merkel wäre tatsächlich eben jene schlechte Politikerin, als die sie viele hinzustellen versuchen, würde sie Wankelmut signalisieren. Für eine Regierungschefin – ob geschäftsführend oder wiedergewählt – wäre es ein verheerendes Signal, Resignation auch nur anzudeuten. Europapolitik – mal sehen? Steuerpolitik – ich weiß nicht recht? So funktioniert das nicht.
Gleichwohl ist ihr Versprechen an die eigenen Leute, sich bis zum Parteitag am 26. Februar zu Postenfragen zu äußern, ein klares Zugeständnis. In der CDU gibt es erheblichen Unmut darüber, dass die SPD sechs Ministerien bekommen soll, darunter die Schlüsselressorts Außen, Finanzen und Arbeit. Einflussreiche CDU-Politiker dringen nun auf Machtteilhabe des Parteinachwuchses. Und tatsächlich: „Jetzt geht es doch darum, Personen Chancen zu geben, die ihre politische Zukunft noch vor sich haben oder mitten da drin sind“, sagt Merkel in ihrem unnachahmlichen Merkel-Sprech dem ZDF.
Merkel hat kaum noch attraktive Angebote zu machen
Junge PolitikerInnen nach vorn – eine hübsche, vor allem fällige Idee. Nur leider hat Merkel nach dem vergeigten Ministerien-Geschacher kaum noch attraktive Angebote zu machen. Wirtschaft, Bildung, Verteidigung, Kanzleramt – das sind ihre Trümpfe. Und die sind von vornherein personell begrenzt durch ihr Versprechen, die Hälfte der Posten an Frauen zu vergeben. Zum anderen sollten ja wohl auch fachliche Eignungen eine Rolle spielen.
Viele begehrliche Blicke werden sich deshalb nun aufs Konrad-Adenauer-Haus richten. Merkel hat den Zugriff auf das Amt des Generalsekretärs. Es ist ein wichtiges Amt, eins direkt am Puls der Volkspartei CDU. Sollte Merkel sich aufraffen und einen ihrer parteiinternen Kritiker (Frauen sind in diesem Club nicht in Sicht) zum Generalsekretär machen, säße diese Person an einem entscheidenden Schalthebel.
Ein Generalsekretär ist eingebunden in die täglichen, hunderttausendfachen Belange der Parteibasis. Der Job ist der eines Ermutigers und Machers, nicht der des ewigen Nörglers. Einhegen durch Verantwortung, das wäre doch mal was Neues für Merkels Kritiker.
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