Kommentar Bundeswehr in Afghanistan: Die Nebelkerzen des Ministers

Verteidigungsminister Jung will nicht über den größten Kampfeinsatz der Bundeswehr reden. Das fehlende politische Gespür fördert aber weder Vertrauen noch Verständnis.

Die Bundeswehr steckt seit Sonntag im größten Kampfeinsatz ihrer Geschichte. In Nordafghanistan kommen erstmals auch "Marder"-Schützenpanzer zum Einsatz. Dies ist aber nur das Augenfälligste, weil jeweils 34 Tonnen schwere Indiz dafür sind, dass sich der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan im Laufe der vergangenen Monaten grundlegend gewandelt hat. Die Bundeswehr kämpft jetzt. Sie tötet Gegner im Bodengefecht. Ihre Soldaten schießen - versehentlich - auf Zivilisten.

Und was macht der deutsche Verteidigungsminister? Franz Josef Jung widmet seine Pressekonferenz den schönen Dingen des Ministerlebens: dem Ordenverteilen und Kasernenbesuchen zum Beispiel. Auf die Ereignisse im Norden Afghanistans geht er nur ungern ein. Doch bittet er die Medien wiederholt, der bundesdeutschen Öffentlichkeit endlich auch einmal zu vermitteln, dass der Aufbau in Afghanistan vorangehe.

Was für ein Unterschied: Anfang Juli startete die US-Armee, ebenfalls zusammen mit der afghanischen Armee, ihre Offensive namens "Schwertstreich" in der afghanischen Südprovinz Helmand. Ihr Ziel war im Wesentlichen das gleiche wie jetzt das der Bundeswehr. Vor den Präsidentschaftswahlen am 20. August sollen die am heißesten umkämpften Distrikte den Taliban entrissen werden. Doch wurde die US-Offensive von einer großen Medienkampagne begleitet. Kommandeure wie Nato- und Isaf-Sprecher erklärten wortreich, dass nun endlich Ernst gemacht werde mit dem Schutz der Zivilbevölkerung.

Man mag dies alles als bloße Kriegspropaganda abtun. Immerhin aber waren es überhaupt Informationen. Jung dagegen scheint schlicht nicht zu begreifen, dass die Medien die neuen Mädchenschulen, Brücken und Kliniken in Afghanistan auch deshalb nicht aufzählen wollen, weil er selbst nicht einmal die Zahl der gerade eingesetzten Panzer nennen möchte.

Es bleibt den Oppositionspolitikern überlassen, ihre Sorge darüber zu äußern, dass die Lage nun auch im Norden eskaliert. Oft genug hat Jung im Namen der Soldaten geklagt, dass die Öffentlichkeit deren Lage nicht ernst nehme. Dabei gibt er selbst den fröhlichen hessischen Winzer, der er ja auch ist. Ein paar Fakten zum Beispiel wären dienlicher.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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