Kommentar Bundesbank-Chef: Vor dem Rücktritt
Dass er gegen den Ankauf von Staatsanleihen ist, bringt Bundesbank-Chef Weidemann in eine ausweglose Situation. Entweder er verliert den Job oder seine Würde.
W ann tritt Bundesbank-Chef Jens Weidmann zurück? Diese Frage mag absurd klingen, aber sie drängt sich auf. Denn Weidmann hat sich auf einen Kampf eingelassen, den er nur verlieren kann – er kämpft gegen die Realität.
Der Bundesbank-Chef hat keine Gelegenheit ausgelassen, um in ganzseitigen Interviews und Meinungsartikeln davor zu warnen, dass die Europäische Zentralbank Staatsanleihen aufkauft. Doch genau diese Intervention ist unumgänglich, wenn es nicht zu einem Eurocrash kommen soll.
Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel signalisiert neuerdings, dass sie „alles tun wird, um die Eurozone zu schützen“. Diese Botschaft könnte nicht deutlicher sein: Alles heißt alles. Was den Ankauf von Staatsanleihen einschließt, den Weidmann so ablehnt.
ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.
Der Bundesbank-Chef hat sich in eine haltlose Position manövriert: Mit seinem starren Veto gefährdet er genau jene Währung, die er eigentlich schützen soll. Das kann nicht funktionieren.
Weidmann hat jetzt zwei Möglichkeiten: Er könnte ein paar Monate schweigen – oder er muss zurücktreten. Es fällt jedoch schwer, sich vorzustellen, dass Weidmann im Stillen zusieht, wie er an Macht verliert. Er ist ein Überzeugungstäter, kein Opportunist. Also bleibt nur der Rücktritt, wenn er seine Würde retten will.
Der weiteren Karriere muss ein solcher Abgang nicht schaden, wie Vorgänger Axel Weber vorgeführt hat. Auch er schied beleidigt aus der Bundesbank aus, weil er gegen den Ankauf von Staatsanleihen war – und ist jetzt Chef der Schweizer Großbank UBS. Für Weidmann dürfte sich ebenfalls ein lukrativer Posten in der Privatwirtschaft finden.
Aber wer weiß, vielleicht bleibt Weidmann ja doch bei der Bundesbank. Politisch interessant ist das nicht mehr. Denn in jedem Fall ist er mit seinem Credo gescheitert, dass die Europäische Zentralbank nicht intervenieren darf. Wenn er bleibt, bleibt er machtlos.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften