Kommentar Brüssels Euro-Visionen: Mehr Merkel als Macron
Die Eurokrise ist ausgestanden, nun geht es darum, Europa für künftige Krisen zu wappnen. Macrons Vorschlag wäre eine Chance gewesen.
B rexit, Ungarn, Polen, Katalonien, Jugendarbeitslosigkeit, Flüchtlinge, Trump. Und. Und. Und. Braucht es mehr Argumente für Europa, näher zusammenzurücken? Beim Thema Finanzen ist der Bedarf besonders hoch: Jeder vierte Euro in Europa wird derzeit von den Nationalstaaten ausgegeben, das EU-Budget beträgt dagegen nur ein mickriges Prozent der Wirtschaftsleistung.
Das Dilemma: Ein großer Teil von Europas ökonomischer Kraft hängt von nationalstaatlichen Entscheidungen ab, die souveräne Regierungen völlig unkoordiniert fällen. Welches Chaos das verursacht, hat die Eurokrise gezeigt.
Auch deshalb hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen Eurofinanzminister mit eigenem Budget und eigenem Parlament vorgeschlagen. Das sogenannte Nikolauspaket von Jean-Claude Juncker zeigt jedoch, dass der EU-Kommissionspräsident ein Schoßhündchen an der langen Leine aus Berlin ist. Sein Plan enthält mehr Merkel (war die nicht eigentlich gerade außenpolitisch handlungsunfähig?) als Macron. Dessen Finanzminister kommt – aber ohne eigenes Budget. Und also auch ohne Macht, um in Europa gleiche Bedingungen für alle – also Wachstum – zu schaffen.
Diese liegt weiter zum Beispiel beim EU-Haushaltskommissar: Günther Oettinger, CDU. Oettinger und Juncker beten unisono die alte Litanei namens „keine Transferunion“, „mehr Haushaltsdisziplin“ und „keine Aufweichung der Defizit- und Verschuldungsvorgaben“ herunter. Also „Sparen statt Investieren“ – der Claim, unter dem vor allem die Südländer seit Jahren leiden.
Macrons Vorschlag, den EU-Etat weg von Uraltaufgaben wie der Förderung der Agrarindustrie hin zu gemeinsamen Ausgaben für Verteidigung, Migration, Forschung oder Klima zu verschieben, wäre eine Chance gewesen.
Aber noch gibt es zwei – gar nicht so kleine – Hoffnungen. Erstens: Die EU-Staaten machen beim Nikolausplan nicht mit. Zweitens: Die mögliche CDU-Koalitionärin SPD macht bestimmt nicht mit. Oder?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe