Kommentar Bildungsproteste: Streiken ist Luxus
Wo stecken die Protest-Studis des Jahres 2011? Auch wenn derzeit nur wenige streiken: Wer dieser Generation vorwirft, sie sei unpolitisch, tut ihr Unrecht.
D as war ein dünner Start der bundesweiten Bildungsstreiks: Gerade so wurde am Donnerstag eine vierstellige Zahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern erreicht. Vor zwei Jahren waren um diese Jahreszeit bundesweit Hörsäle besetzt, Hunderttausende gingen im Laufe der Streikwochen auf die Straße. Wo stecken die Protest-Studis des Jahres 2011?
Mit einer Verbesserung der Bedingungen im Bildungssektor hat die geringe Beteiligung sicher nichts zu tun. Zwar ist der Etat von Ministerin Annette Schavan einer der wenigen im Bundeshaushalt, der wächst. Jedoch sind diese Steigerungen geradezu lächerlich, nimmt man die 32 Milliarden Euro als Vergleich, die die OECD als nötig erachtet, um das deutsche Bildungssystem auf den Durchschnitt der entwickelten Länder zu heben.
Die Realität zeigt, dass nicht nur kaum Verbesserungen im Bildungssystem erreicht wurden. Die Hörsäle sind überfüllt, die Stundenpläne eng, die Zugänge zu Master-Programmen zum Teil noch immer nicht gewährleistet. Zudem ist der Druck auf die Studierenden gestiegen.
arbeitet im Parlamentsbüro der taz.
Trotz aktuell stabilen Arbeitsmarkts wachsen Schüler und Studierende in einem wirtschaftlichen Klima auf, bei dem sie wissen: Nur, wenn sie Praktika und Auslandsaufenthalte mit schnellem Studium und besten Noten kombinieren, haben sie gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Wer dieser Generation nun wegen des schleppenden Starts der Proteste vorwirft, sie sei unpolitisch oder desinteressiert, tut ihr Unrecht. Streiken ist immer auch der Luxus, sich Protest leisten zu können. Aktuell ist der gesellschaftliche Druck offenbar so groß, dass diese Freiheit nicht mehr vorhanden ist.
Diese Botschaft sollte die Politik auch ohne Hunderttausende DemonstrantInnen begreifen - falls ihr dazu zwischen ihren diversen Versuchen zur Euro-Rettung noch Zeit bleibt.
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