Kommentar Bildungspolitik: Rechnen für Anfänger
Es wäre besser, Bundeskanzerlin Merkel verabschiedete sich von dem umstrittenen Steuerpaket und drängte die Länder, sich für die Bildung stark zu machen.
S chon die Wahlplakate hätten stutzig machen müssen: Mehr Bildung, weniger Steuern – das waren die beiden Programmpunkte, mit denen die FDP im zurückliegenden Wahlkampf für sich warb. Im Koalitionsvertrag fand sich dann beides wieder, mit Billigung der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden. Über die Steuern wurde lang und laut gestritten, das Bildungsziel hingegen auf die lange Bank geschoben.
Jetzt zeigt sich, dass auch eine neue schwarz-gelbe Regierung jeden Euro nur einmal ausgeben kann. Wer beispielsweise den Hoteliers zum Dank für ihre Wählerstimmen pro Jahr eine Milliarde Euro schenkt, der hat diese Milliarde eben nicht mehr für Bildungszwecke zur Verfügung. Das sind die finanzpolitischen Grundrechenarten, die Schwarz-Gelb noch mehrfach einholen werden – spätestens im nächsten Jahr und erst recht, falls die Zinsen wieder steigen sollten.
Merkels Machtstrategie bestand bislang darin, auch den unsinnigsten Forderungen ihrer Verbündeten zunächst nachzugeben – die öffentliche Empörung entlud sich dann über die Urheber. Das hat meist gut funktioniert, vor allem mit den Klientelwünschen von CSU und FDP. Hätte sie selbst den eigenen Leuten die Illusionen ausgetrieben, wäre deren Zorn auf sie zurückgefallen. Ähnlich verfuhr Merkel mit fragwürdigen Personalien wie dem langjährigen hessischen Gesandten in Berlin, Franz Josef Jung.
Nun wird die Kanzlerin jedoch gleich mehrfach von den Folgen ihres Machiavellismus eingeholt. Davon, dass sie das Verteidigungsressort dem innerparteilichen Proporzdenken opferte und mit dem kontaminierten Thema möglichst wenig zu tun haben wollte. Davon, dass sie den unrealistischen Steuerwünschen von FDP und dem eigenem Wirtschaftsflügel im Wahlkampf nachgab. Und davon, dass sie die Bildungspolitik zunächst den Ländern überließ, um erst nach erfolgter Verfassungsänderung die Bildungsrepublik auszurufen.
Um das fragwürdige Steuerpaket im Bundesrat durchzusetzen, will Merkel den Ländern beim Erreichen der Bildungsziele "behilflich" sein, sagte sie am Wochenende. Auf den Hinweis, dass diese Hilfe auch in der Billigung dubioser Rechentricks bestehen könnte, verzichtete sie lieber. Besser wäre es, sie verabschiedete sich vom Steuerpaket und drängte die Länder stattdessen, ihrer vornehmsten Kompetenz wirklich gerecht zu werden: der Bildungspolitik.
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