Kommentar Betreuungsgeld: Wenn die Koalition sich streitet
Die Koalition ist sich beim Betreuungsgeld nicht einig und produziert absurde Kompromissvorschläge. Das hat einen Vorteil: Für die Herdprämie sieht es nicht gut aus.
D er Zoff in der Koalition nervt. Fiskalpakt, Datenschutz, Sorgerecht unverheirateter Eltern, Sicherungsverwahrung – es gibt eigentlich nichts, worüber sich Union und FDP in jüngster Zeit nicht gestritten hätten. Nun ist das Betreuungsgeld dran.
Auch wenn diese recht eigenwillige Art der „Familienförderung“ schon von Beginn an für Reibung zwischen den Regierungsparteien sorgte, könnten die Differenzen jetzt von Vorteil sein: Sie könnten die Herdprämie vom Tisch fegen.
Zur Erinnerung: Die FDP war nie eine echte Freundin des Betreuungsgeldes, auf Drängen der CSU wurde es aber in den Koalitionsvertrag geschrieben. Damit wollen die Christsozialen in Bayern vor allem bei der konservativ-katholischen Klientel auf dem Land punkten. Dann entbrannte ein Streit darüber, wie die Herdprämie auszuzahlen sei: Die CSU bestand auf Bargeld, die FDP wollte Gutscheine vergeben, die CDU war gespalten.
ist taz-Redakteurin für Geschlechterpolitik.
Und CDU-Familienministerin Kristina Schröder? Die hielt sich – wie so häufig – mit einer eindeutigen Aussage zurück. Statt die Chance zu ergreifen und sich als junge Ministerin mit einem Nein zum Betreuungsgeld zu profilieren und damit Familien und berufstätige Frauen und Männer für sich zu gewinnen, suchte sie nach einem Kompromiss für den Koalitionsfrieden. Ihre Idee jedoch, jetzt auch Mütter mit der Herdprämie zu „belohnen“, die wenige Stunden arbeiten gehen, ist absurder denn je.
Wie auch immer der Streit in der Koalition ausgeht: Für das Betreuungsgeld sieht es nicht gut aus. Seit der beschlossenen Sparrunde 2010 steht es nämlich unter Finanzierungsvorbehalt. Im kommenden Jahr müssten für die Herdprämie 400 Millionen Euro ausgegeben werden, 2014 würden es rund 1,2 Miliarden Euro sein. Wird Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) diese Summen locker machen?
Fraglich. Denn jetzt heißt es nämlich erstmal, Kita-Plätze zu schaffen. Ab 2013 hat jedes unter dreijährige Kind einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Aber es fehlen noch rund 300.000 Plätze bundesweit. Der Ausbau kostet etwa 6 Milliarden Euro.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?