Kommentar Bessere Radwege : Mehr Platz, bessere Sitten

Die Bedürfnisse von Fahrradfahrern werden in der Verkehrspolitik nicht ausreichend berücksichtigt. Viele Radfahrer halten sich deshalb auch nicht an die Verkehrsregeln.

Der psychisch kranke Amokläufer, der vor einigen Tagen in einer belgischen Kinderkrippe wütete, kam und flüchtete mit dem Rad. Das aber war nicht der Grund für den 47. Deutschen Verkehrsgerichtstag, erstmals seit Jahren über Probleme des Fahrradverkehrs zu diskutieren. Der Auslöser lag eher dort, wo auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Handlungsbedarf sieht: Die Sitten im Straßenverkehr würden verrohen, Radfahrer missachteten rote Ampeln, beführen Radwege und Einbahnstraßen in falscher Richtung oder belästigten Fußgänger, klagt sie und fordert erzieherische Maßnahmen.

Folgt man allerdings der Unfallbilanz des Statistischen Bundesamtes, dann waren die deutschen Straßen noch nie so sicher wie im vergangenen Jahr - mit zwei nennenswerten Ausnahmen: 2008 starben 321 Radfahrer (plus 2,6 Prozent) und 77 Mofa-/Mopedbenutzer (plus 15 Prozent) bei Unfällen. Für das - jedenfalls zum Teil - unfallauslösende Verhalten vieler Radfahrer nennt der Deutsche Verkehrsgerichtstag einleuchtende Gründe: Weil ihre Bedürfnisse zu wenig berücksichtigt würden, hielten sich die Radler eben auch nicht an die Verkehrsregeln. Die Kommunen müssten deshalb sicherere Wege für Radfahrer schaffen.

Es geht hier um einen Kulturwandel. Das Rad als Verkehrsmittel nimmt heute einen viel größeren Raum ein als noch vor wenigen Jahren. Allerdings führt dieser Wandel auch dazu, dass testosterongeladene Jungmänner, die früher im Opel Manta Angst und Schrecken verbreiteten, nun die gleichen Verhaltensmuster auf Mountain-Bikes an den Tag legen. Wer da nicht mithalten mag, sieht sich schnell als Verkehrshindernis geoutet und dummdreist angemacht.

Will man daraus eine politische Forderung ableiten, dann diese: Weil sich die Radfahrerschaft ausdifferenziert, weil sie schneller wird, braucht sie mehr Platz: So könnten sich selbst als sportlich einschätzende Fahrer fröhlich Gummi geben. Wenn die Polizei auf Erziehung und Kontrolle setzt, wird sie dem Phänomen nicht gerecht - und wird somit scheitern.

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Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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