Kommentar Berlusconis rechte Hand: Die ganz normale Mafia
Der Jubel der Berlusconi-Getreuen über die Haftstrafe von Marcello Dell'Utri ist verständlich - doch er bleibt obszön.
E ine solche Show kann man momentan wohl nur in Italien erwarten: Der Berlusconi-Intimus Marcello Dell'Utri wird als Helfer der Mafia zu sieben Jahren Haft verurteilt - und freut sich. Mit ihm jubelt das Berlusconi-Lager, jubeln die Fernsehnachrichten auf dem Staatssender RAI 1, die gar nicht von "Verurteilung", sondern von "Freispruch im wichtigsten Anklagepunkt" reden.
Paradoxerweise ist etwas Wahres an der Propagandalüge. Die Schönredner lassen zwar unter den Tisch fallen, dass Dell'Utri dem Urteil zufolge über Jahre das Scharnier war zwischen Cosa Nostra und dem Berlusconi-Imperium. Aber der brisanteste, für Italiens Regierungschef gefährlichste Anklagepunkt wurde tatsächlich fallen gelassen: Immerhin behaupteten die Staatsanwälte, Berlusconi habe dank Dell'Utris Hilfe mit dem Segen der Mafia, ja im engen Bund mit ihr den Einstieg in die Politik vollzogen.
Doch noch nie traute sich in Italien ein Gericht an die Verstrickungen zwischen römischer Politik und Mafia heran: Eben noch vertrauenswürdige Kronzeugen werden plötzlich unglaubwürdig, sobald sie über Verbindungen der Bosse früher zur Christdemokratie eines Giulio Andreotti, anschließend zur Forza Italia Silvio Berlusconis reden. Mit dieser Tradition mochte auch die Kammer in Palermo nicht brechen, die über Dell'Utri befand.
Insofern ist der Jubel der Berlusconi-Getreuen verständlich - doch er bleibt obszön. Halten sie es doch für ganz selbstverständlich, dass der Mafia-Freund Dell'Utri weiter Parlamentarier bleibt, und sie bewerten es als zweitrangig, dass ein Gericht feststellt, ihr Ministerpräsident habe dank Dell'Utri jahrzehntelang Kontakte zur Mafia gepflegt. Auswärts mag das überraschen, in Italien nicht: Dort schließlich ist auch der alte Mafia-Gewährsmann Andreotti weiterhin ein hoch verehrter Politiker.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“