Kommentar Barclays-Skandal: Und wann reagiert die Politik?
Die fortgesetzte Manipulation durch Banken hat System. Wieder einmal zeigt sich, dass der Markt sich nicht selber reguliert und Kontrolle braucht.
W ieder einmal hat „der Markt“ versagt. Über diese eigentliche Erkenntnis des neuesten Bankenskandals sollten ein paar hundert Millionen Euro Strafe und der Rücktritt eines Spitzenbankers des britischen Geldgiganten Barclays nicht hinwegtäuschen.
Global Player wie Barclays entscheiden über das Wohl und Wehe der Weltwirtschaft. 2007 lösten sie mit Zockergeschäften die bis heute fortlaufende Banken-Wirtschafts-Staatsfinanzen-Krise aus. Nun hat sich ein lange gehegter Verdacht bestätigt: Ausschlaggebende Akteure haben die Messlatte für globale Geldgeschäfte andauernd manipuliert.
Nur vorgeblich spiegelte der „London Interbank Offered Rate“ den Zins wider, den Kreditinstitute für Kredite ihrer Konkurrenten bezahlten. Im Alltag ist dieser Interbankenmarkt oft die wichtigste Geldquelle für die eigenen Spekulationen.
ist Autor der taz.
Für Europa wird so auch ein Euribor-Zinssatz ermittelt. Dabei melden die Banken ihre „Daten“ ausgerechnet an eine Nachrichtenagentur, die dann Mittelwerte veröffentlicht. Es wird geschätzt, dass der Libor als Messlatte für Finanzprodukte im Wert von 350 Billionen Dollar dient, er beruht dabei – man muss es sich noch einmal auf der Zunge zergehen lassen – lediglich auf vertrauensvollen Angaben von Bankern. Nun ist es amtlich, dass auch dieses Vertrauen missbraucht wurde. Übrigens: Zahlreiche weitere Banken stehen im Visier der Ermittler – darunter auch die Deutsche Bank.
Die Libor-Manipulation offenbart ein weiteres Regulierungsloch. Fünf Jahre nach Ausbruch der größten Krise seit den 1930er Jahren treiben die Verursacher – Großbanken, Schattenbanken, Fonds – weiterhin nahezu unbehelligt von der Politik ihr Spiel. Dies ist der eigentliche Skandal.
Wirklich maßgebliche Werte, an denen sich alle orientieren müssen, kann offensichtlich nur der Staat verlässlich festlegen. Libor und Euribor gehören daher in die Hände der Zentralbanken.
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