piwik no script img

Kommentar BankenkriseDas Ende der Wall Street

Kommentar von Nicola Liebert

Die Investmentbanken selbst rufen nach mehr Kontrolle. Doch die Politiker zögern noch. Dabei hätten diese schon lange handeln müssen.

E s waren acht Tage, die die Wall Street erschütterten. Angefangen mit dem Bankrott der viertgrößten Investmentbank der USA, Lehman Brothers, und dem Verkauf der Nummer drei, Merrill Lynch, an die Bank of America. Dann hieß es, auch Morgan Stanley wolle sich in die Arme einer Universalbank aus der Provinz retten. Gestern gab es die Gewissheit: Der US-Investmentbankingsektor löst sich komplett selbst auf.

Höchste Zeit ist es. Die Idee, die in den USA zur Trennung von Investment- und Geschäftsbanken führte, war längst pervertiert worden - ein Opfer der neoliberalen Deregulierungswut. Sie stammt aus einer Zeit, die der heutigen nicht ganz unähnlich ist. Nach dem Börsencrash von 1929, dem Run auf die Banken und der darauf folgenden Weltwirtschaftskrise wurde, wie heute, der Ruf nach strenger Regulierung laut. Unter anderem sorgte die Regierung dafür, dass die normalen Geschäftsbanken mit ihren zahlreichen Konten kleiner Leute isoliert wurden von den Risiken des Investmentbankings, also den großen Deals mit den Konzernen. Doch in späteren Boomzeiten empfand man Regeln nur noch hinderlich.

1999 wurden die meisten Auflagen abgeschafft, die Wall Street wurde zur Goldgrube. Das Ende des Internetbooms erschien da nur als temporärer Rückschlag. Schnell schwenkte man um, etwa zum lukrativen Weiterverkauf von Krediten und zum Spekulieren auf Pump. Doch die Gier nach beständig wachsenden Profiten machte blind gegenüber den mitwachsenden Risiken. Winselnd ruft jetzt der Finanzsektor selbst nach dem Staat. Die Investmentbanken begeben sich freiwillig unter seine Kontrolle.

Erschütternd daran ist eigentlich nur, dass es die Banken waren, die jetzt handelten - während der Staat von Durchgreifen bislang nur redet. Zwar ist die Selbstaufgabe der Investmentbanken auf den europäischen Markt nicht übertragbar, weil es das Modell hier so nicht gab. Aber die Notwendigkeit einer strikten Regulierung des Marktes, die die Ereignisse der letzten acht Tage demonstrierten, besteht diesseits des Atlantiks genauso wie jenseits. Wenn schon die Banken selbst das so sehen, fragt sich, worauf die Politik noch wartet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • RJ
    Rudolf Jäger

    Es scheint ein breiter Konsenz darüber zu bestehen wer bei der Finanzkrise die Bösen sind: die Investmentbanken, die Spekulanten, die Gier im Allgemeinen. Wenig wird über die Rolle der amerikanischen Administration und mit ihr verzahnter Interessengruppen geschrieben. Dabei lag die Politik des billigen Geldes und der damit verbundene Konsumrausch stark im Interesse der, von Ideologien nicht ganz freien Regierung. Neben den bekannten politischen und militärischen Machtdemonstrationen bewies dies die Überlegenheit der USA auf wirtschaftlichem Gebiet.

    Hierzulande ist es im Übrigen nicht angebracht allzusehr über die USA zu schimpfen. Dazu wurde - via Export - viel zu gut am dortigen Konsum verdient. Sonst ist es wie mit dem Wirt der am Grab des Alkoholikers beteuert: "Ich habs ihm immer gesagt: Sauf nicht so viel".

  • HH
    Hergen Hillen

    Sicher wird die USA diese Krise in ein paar Jahren überwunden haben, wenn auch nur an der Oberfläche, indem die Konzern- und Finanzstrukturen mit Steuergeldern saniert werden. Allerdings wird die Krise die soziale Spaltung im Land weiter verstärken. Noch bevor Ursachen, Ausmaß und Folgen der Krise ausgemacht sind, stehen diejenigen, die dafür büßen müssen, schon fest: der normale Steuerzahler. Der Staat droht mit dem Untergang, wenn die Steuerzahler und Empfänger von Sozialleistungen nicht bereit sind, erneut den Gürtel enger zu schnallen. So funktioniert für gewöhnlich die Mafia. Schutzgelderpressung basiert auf der fiktiven Vorstellung eines gravierenden Problems, das nur beseitigt werden kann, wenn die Mafia mit Zwangsmitteln den Untergebenen regelmäßig Geld abknöpfen kann. Dabei ist die Finanzkrise nur der vorläufige Endpunkt einer seit der Reagan-Ära betriebenen Finanz- und Wirtschaftspolitik, die wahrlich an Mafia-Methoden erinnert: Steuersenkungen als Form der Selbstbereicherung für die Eliten, die maßlose Förderung einer Konsumkultur, Raubtierkapitalismus unter dem Deckmantel des freien Wettbewerbs und exorbitante Militärausgaben haben eine finanzpolitische Notsituation heraufbeschworen, die nun in einem Akt der Erpressung bereinigt werden soll. Die Finanzkrise steht daher in einer Kontinuität einer neoliberalen Politik, die mit der brutalen Gewalt der Ausbeutung und eines immer mehr aufgeblähten Kontroll- und Sanktionsapparats immer mehr Bevölkerungsgruppen in den sozialen Abgrund zieht. Gibt es eigentlich eine Möglichkeit, die Bush-Regierung für diese Form staatlicher Kriminalität zur Rechenschaft zu ziehen?

  • P
    Peter66

    Oh Weh!

    Das hat wohl der Kommentator was nicht richtig verstanden!

    Diese Entscheidung bedeutet, daß die Investmentbanker nun unter das Dach des Einlagensicherungsfonds schlüpfen dürfen.

    Das ist etwa so, wie *nach* dem Schadensfall eine Versicherung abschließen!