piwik no script img

Kommentar Bakterien in GeflügelfleischAigner verschreibt Hühner-Kosmetik

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Statt das Problem des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung anzugehen, macht Agrarministerin Ankündigungen. Verbraucher haben nichts davon.

I lse Aigner tut wieder das, was sie am liebsten macht: ankündigen. Den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung wolle sie beschränken, erklärt die Bundesagrarministerin nun. Das klingt gut, aber wie so oft bei der CSU-Politikerin - es steckt wenig dahinter.

Dabei ist das Problem eklatant: Die meisten Masthühner in Deutschland bekommen Antibiotika, wie mehrere Studien von Behörden gezeigt haben. Je häufiger diese Medikamente eingesetzt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Keime gegen die Präparate unempfindlich werden. So ist der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung ein Grund, weshalb Resistenzen entstehen. Und jährlich sterben in Europa 25.000 Menschen an Keimen, die sich nicht mit den Medikamenten bekämpfen lassen.

Statt das Problem an der Wurzel zu packen, will Aigner den Ländern nur neue Daten über den Antibiotikaverkauf an Tierärzte liefern. Das ist zwar sinnvoll, um den Landesbehörden Anhaltspunkte für Kontrollen bei notorischen Vielverschreibern unter den Veterinären zu geben. Aber der Vorschlag der Agrarministerin ist nur ein extrem kleiner Schritt.

Bild: taz
JOST MAURIN

ist Redakteur im Ressort Ökologie und Wirtschaft der taz.

Eine der wichtigsten Ursachen für den hohen Antibiotikaverbrauch in der Tiermast ist doch, dass zu viele Tiere auf engem Raum zusammenleben. Denn in Massenställen können Keime auch massenhaft zuschlagen und sich in Windeseile verbreiten. An diesen Punkt allerdings wagt sich die Ministerin nicht heran. Bisher jedenfalls hat sie nicht angekündigt, die zulässige Zahl der Tiere pro Quadratmeter Stall auf ein erträgliches Maß zu senken.

Das ist auch kein Wunder. Schließlich ist die Spitze des Agrarministeriums in der Hand der Union. Und die verteidigt regelmäßig die Interessen der Industrie und der Großbetriebe in der Landwirtschaft.

Deshalb kämpft Aigner dagegen, die Agrarsubventionen für die Großen zu beschränken. Deshalb setzt sie sich gegen eine Reform der jährlich EU-weit rund 55 Milliarden Euro Beihilfen ein, von der zum Beispiel Biobauern profitieren würden. Ökolandwirte müssen ihren Tieren schon jetzt mehr Platz gewähren, als das die konventionellen Landwirte tun.

So bleibt Aigner mal wieder bei kosmetischen Maßnahmen, die die Öffentlichkeit ruhigstellen sollen. Die Verbraucher aber haben davon so gut wie nichts.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • F
    Fury

    Der Mensch, "Die Krone der Schöpfung"!? Wer diesen blöden Spruch erfand, kann froh sein, dass es damals noch keine Psychiatrie gab. Blasphemie, nichts weiter.

  • V
    vic

    Die Tiere tun mir leid, nicht die Menschen, deretwegen sie so leiden müssen, um dann als Sondermüll in den Verkaufstheken dargeboten zu werden.

  • M
    Max

    Hühner bekommen nicht nur - wie alle Tiere aus Massentierhaltung - in einem unverantwortlich hohem Ausmaß Antibiotika, sie sind auch bereits tatsächlich mit resistenten Keimen in erschreckendem Ausmaß infiziert.

    Ging doch vor ein paar Monaten bereits durch die Medien: es wird hochoffiziell davon abgeraten, bei der Zubereitung rohes Hühnerfleisch mit bloßn Händen anzufassen.

     

    Bei allem Versagen der Politiker:

    Volljährige Menschen, die immer noch freiwillig Hühnerfleisch essen, sind schlicht selbst schuld.

  • V
    vic

    Industrieschutzministerin Aigner passt sehr gut in diese Regierung, das muss man ihr lassen.