Kommentar BRICS-Staaten: Kissingers Schmunzeln
Sie haben ihre Verantwortung erkannt. Aber Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika müssen neue Entwicklungskonzepte entwickeln.
N iemand regt sich auf. Keiner erwartet Großes. Vielleicht sind das keine schlechten Voraussetzungen für die äußerst ambitionierte politische Agenda, zu der sich die fünf großen Schwellenländer gestern in Delhi verpflichteten. Sie wollen eine neue Weltbank schaffen. Sie wollen nicht mehr in Dollar oder Euro miteinander handeln, wollen ihre Aktienmärkte stärker verknüpfen und Entwicklungskonzepte ohne westliche Vorgaben ausbrüten. Sie wollen sich gegenseitig zum Vorbild nehmen.
Der Plan hat einen Namen: BRICS, entsprechend den fünf beteiligten Ländern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Nun lassen sich tausend Dinge einwenden, warum diese Länder nie zusammenfinden werden. 40 Prozent der Weltbevölkerung, ein Viertel der Weltwirtschaft, aber über vier Kontinente verteilt, Rohstofflieferanten und -verbraucher, der eine mehr Freund, der andere mehr Feind des Westens: Der alte Henry Kissinger wird über BRICS allenfalls schmunzeln.
Die Frage ist nur, ob die westlichen Finanzkrisen seit 2008 nicht doch einen welthistorischen Einschnitt markieren. Brasilien hat ja recht, dass das Anwerfen der Geldruckmaschinen für Dollar und Euro von einer grenzenlosen Verantwortungslosigkeit gegenüber der Weltwirtschaft zeugt.
ist Indien-Korrespondent der taz.
Die BRICS-Länder müssen jetzt ihre Hausaufgaben machen, über die Schatten der nationalen Währungen springen und tatsächlich neue Institutionen wie eine BRICS-Bank aufbauen. Sie müssen tatsächlich ihre besten Forschungsinstitute verknüpfen und eigene Entwicklungskonzepte formulieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg machten das die USA beim Aufbau der Bretton-Woods-Institutionen praktisch im Alleingang. Es gelang, doch auch erst nach dem großen Weltkriegseinbruch.
Noch hat man das Gefühl, dass Länder wie China und Indien ihre neue internationale Verantwortung zwar erkennen, aber nicht ernsthaft einlösen. BRICS muss das ändern – oder es wird Alibi bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation