Kommentar BKA-Gesetz: Kurzer Trip ins Land der Bürgerrechte
Nachdem man sich für einige Tage in die Pose des Rebellen geworfen hat, ist der kurze Ausflug der SPD ins Land der Bürgerrechtler nun also vorbei. Gebracht hat er wenig.
Wolfgang Schäuble hatte recht. Nach der lauten Ablehnung des von ihm gewünschten BKA-Gesetzes durch die SPD fand er: Die Sozialdemokraten machen einen großen Wirbel um nichts. Nach der aktuellen Einigung zeigt sich: Genau so ist es.
Die SPD in den Ländern hat sehr viel Lärm geschlagen, als ihre Innenminister das BKA-Gesetz zu Fall brachten. Was zeigten die Sozialdemokraten da für Posen! In Sachsen hatte die Landes-SPD in einem radikalen Antrag gar beschlossen, die Online-Durchsuchung in Gänze abzulehnen. Andere Verbände waren weniger deutlich, spielten aber auch gerne die Rolle des Datenschützers - zumindest für einige Tage. Gestern bekundeten die Sachsen als erste der rebellischen Landesparteien, sie hätten mit der neuen Fassung des Gesetzes kein Problem mehr. Der kurze Ausflug der SPD ins Land der Bürgerrechtler ist also vorbei. Gebracht hat er wenig.
So sollen angeblich die Zuständigkeiten des Bundeskriminalamtes genauer geregelt worden sein. Das ist mitnichten der Fall; es wurde nur der Wortlaut dieses Abschnittes verändert. Auch die Eilentscheidung ist vom Tisch. Was bedeutet, dass jetzt teilweise fachfremde Richter in äußerst kurzer Zeit darüber entscheiden müssen, in welche Computer das BKA eindringen darf. Dass diese Richter unter Zeitdruck groß nachfragen, wenn die Kriminalisten in einen Computer eindringen wollen, ist zu bezweifeln.
Eine wirklich und positive Veränderung hätte die SPD bewirken können, wenn sie etwa das Berufsgeheimnis von Ärzten, Anwälten und Journalisten besser geschützt hätte. Die dürfen jetzt nämlich ausspioniert werden, wenn der Bestand der Republik gefährdet ist oder Gefahr für Leib und Leben besteht. Beide Gründe lassen sich bei Bedarf weit interpretieren. Sie hätte auch die Online-Durchsuchung ablehnen und mit Bürgerrechtsthemen in den Wahlkampf gehen können. Aber leider sind sich Union und SPD einig, dass Sicherheit im Zweifel vor Freiheit geht.
Die Rebellion der SPD fand damit allein aus Imagegründen statt. Für diejenigen, die auf ernsthafte Verbesserungen bei Datenschutz und Bürgerrechten gehofft hatten, geht ihr Wert nahezu gegen null.
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