piwik no script img

Kommentar BGH zum UnterhaltsrechtDas frauenfreundliche Urteil

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Was konkret aus dem neuen Unterhaltsrecht wird - mal sehen. Klar ist aber schon jetzt: Auf lange Sicht könnte es sich positiv auf die Position der Frau auf dem Arbeitsmarkt auswirken.

D er Bundesgerichtshof (BGH) hat am Mittwoch sein erstes Grundsatzurteil zum neuen Unterhaltsrecht gesprochen. Doch was konkret daraus wird, werden erst die nächsten Monate und Jahre zeigen. Denn der BGH hat nur die Richtung angegeben: Die Reform des Gesetzgebers soll abgemildert werden. Auch wenn ein Kind in den Ganztagskindergarten geht, muss die alleinerziehende Mutter nicht sofort wieder Vollzeit arbeiten. Außerdem kann auch eine Beziehung mit traditioneller Rollenverteilung zum Anspruch auf längeren Betreuungsunterhalt führen.

Bild: privat

Christian Rath ist Rechts-Korrespondent der taz.

Doch was daraus konkret folgt, ist noch unklar. Denkbar ist, dass eine Mutter nur eine 80-Prozent-Stelle annehmen muss, bis das Kind fünf Jahre alt ist. Denkbar ist aber auch, dass erst ab dem 10. Lebensjahr des Kindes mehr als ein Halbtagsjob erwartet wird. Der BGH hat die Zivilgerichte nur dazu aufgerufen, über Modelle und Fallgruppen nachzudenken.

Der Gesetzgeber wollte mit der Reform eine frühe Rückkehr der Mutter in den Beruf fördern. Am Ende kommt es darauf an, ob dieser Impuls in der Gesellschaft spürbar bleibt oder ob er von der Rechtsprechung weitgehend unterlaufen wird. Letzteres wäre schlimm. Denn mit der Reform des Unterhaltsrechts wollte Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) ja vor allem verhindern, dass die traditionelle Rollenverteilung Frauen zu sehr ins Abseits drängt und sie so - selbst nach dem Ende einer Beziehung - von einem Mann abhängig bleiben.

Doch auch wenn sich an den Gerichten die Fans der traditionellen Rollenverteilung starkmachen: Die Reform sorgt ohnehin für produktive Unruhe. Denn generell kommt es seit Jahresbeginn im Unterhaltsrecht viel mehr auf den Einzelfall an. Wie ist die Kinderbetreuung vor Ort? Wie sieht der lokale Arbeitsmarkt aus? Wie lange hat die Frau im Beruf ausgesetzt? Welche Entwicklungen hat sie dabei konkret verpasst? Wer eine Beziehung eingeht und zur Familie wird, kann sich nur noch auf wenig feste Garantien für die Zeit nach der Beziehung verlassen. Auch das spricht dafür, dass Frauen während der Beziehung gerechte Arbeitsteilung durchsetzen und den Kontakt zum Arbeitsmarkt besser nicht abreißen lassen. Die Reform wirkt also auf alle Fälle.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • MB
    Michael Baleanu

    Scheinbar hat das Rechtsberatungsgesetz gewaltige Lücken im Rechtsverständnis der Bürger gerissen. "Einzelfallgerechtigkeit" ist nach Herr Prof. Rüssmann "Kadijustiz" (googeln bitte), denn es bricht mit dem Prinzip der Gleichberechtigung.

     

    Das neue Unterhaltsgesetz ist damit eine "Lex Berlusconi" gemünzt auf die kleinste Zelle der Gesellschaft, der Familie.

     

    Die Einzigen die dabei verdienen, sind die Rechtsanwälte, weil alles von Frau Zypries so nebulös formuliert wurde.

     

    Der wahre Skandal ist die Meinung des BGH, dass selbst wenn Frau die Kinder ganztags im KiGa ablädt, eine Beschäftigung der Dame "überobligatorisch" wäre.

     

    Der § mit dem Betreuungsunterhalt, 1570, kann nur dann angewandt werden, wenn die Voraussetzung des § 1569 erfüllt ist: die Unterhaltsberechtigte muss "außerstande" sein, sich selbst zu ernähren. Angesichts der bekannten jahrelangen Prozesse in der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Menschen verzweifelt versuchen zu belegen, dass sie ausserstande sind, sich selbst zu versorgen, da sie behindert sind, ist das Urteil des BGH eine Zumutung für jede selbstbewusste Frau.

     

    Der XII. Senat befindet, dass Frauen grundsätzlich nicht in der Lage sind sich selbst zu versorgen. Auch dann nicht, wenn die Kinder ganztags im KiGa weilen.

     

    Damit hat sich der XII Senat, der sich gerne als frauenfreundlich ausgibt, als ein zutiefst patriarchalische Institution geoutet: gemäß dem Gesellschaftsbild des 19. Jhs, werden Frauen als Heimchen am Herd und Männer als Familienernährer betrachtet.

     

    Ganz nebenbei bemerkt: Frauen die von ihrem Ernährer abhängen und Unterhalt fordern bereichern nur die Anwaltschaft. Denn der Streitwert bemisst sich nach dem Unterhaltsanspruch. Ist kein Anspruch vorhanden, so ist auch kein Streitwert vorhanden.

     

    Daher wäre jede wirklich selbstbewusste Frau gut beraten sich dreimal zu überlegen wem sie eigentlich schadet, wenn sie sich auf die faule Haut legt.

     

    Denn die zu berappenden Anwaltskosten gehen von dem Geld weg, das vielleicht den Kindern hätte zugute kommen können.

     

    Die Zeit die sie zu Hause verbringt, geht zu Lasten ihrer beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten; nach Jahren der Erziehung und Unterhaltsbeziehung ist ihr Marktwert auf dem Arbeitsmarkt gleich Null.

     

    Last but not least. Fragt doch mal bei Eurer feministischer Ortsgruppenleiterin: ist es etwa im Sinne der Emanzipation, auf "außerstande" für sich selbst die Verantwortung zu nehmen? Das betretene Schweigen dieser Kreise ist ziemlich verdächtig, meint Ihr nicht auch?

  • M
    Maria

    Ich stimme Christian Rath zu, ein Unterhaltsrecht, welches scheinbar frauenfreundlich die Alimentation geschiedener Frauen bzw. alleinerziehender Mütter vorsieht, hat sich in der Realität als Falle erwiesen und wegen fehlender Zahlungsfähigkeit der Unterhaltsverpflichteten ohnehin nur geringe Sicherungswirkung entfaltet. Trotzdem: die Emanzipation ist kein Selbstläufer! Es kann nicht allein den Frauen überlassen werden, gechlechtergerechte Familienarrangements zu erkämpfen. Es braucht politische Maßnahmen, die Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt endlich zu beenden und es braucht mehr als die Partnermonate, um neue Rollen für Männer lebbar zu machen! Ein Unterhaltsrecht, welches Eigenverantwortung verlangt, kommt schon etwas komisch rüber, wenn in einer Partnerschaft das gesamte Sozialsystem den Frauen bzw. Müttern nahelegt, sich das mit der Erwerbstätigkeit nochmal zu überlegen.