Kommentar Auszeichnung Sadik Al-Azms: Glück im Unglück
Der syrische Philosoph Al-Azm musste fliehen. In Weimar wurde er ausgezeichenet. Solch kulturellen Gesten müssen politische Taten folgen.
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A uch der Philosoph Sadik al-Azm musste fliehen. Im taz-Gespräch erklärt er die Beweggründe, warum er jüngst seine Heimat Syrien verlassen musste. Und mit ihm auch ein Teil seiner Familie. Bürgerkrieg ist nicht gleich Bürgerkrieg, Menschen haben eine Biografie und ein konkretes Leben. Al-Azm hatte Glück im Unglück. Nicht nur, dass er sein Leben vor Islamisten oder den Schergen Assads retten konnte. Als international tätiger Professor ist er ein globalisierter Weltbürger. Bekannt und vertraut mit dem Westen, fanden er und seine Familie in der Bundesrepublik Zuflucht.
„Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge aufnehmen.“ Auf diese prägnante Formel brachte es Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, als al-Azm am Freitag mit der Goethemedaille in Weimar geehrt wurde. Er bekam diese Auszeichnung der Bundesrepublik zusammen mit dem britischen Museumsdirektor Neil MacGregor sowie der in Brasilien lebenden deutsch-jüdischen Theaterdirektorin Eva Sopher verliehen.
Neben Ramelow (Die Linke) grenzten sich dabei auch der Präsident des Goethe-Institus, Klaus Dieter Lehmann, sowie Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) klar gegen Rassismus und Rechtspopulismus ab.
Aber den kulturellen Reden müssten in der Politik Taten folgen. SPD-Chef Gabriel sonnt sich im Flüchtlingsaktivismus einzelner Parteimitglieder. Doch war es auch seine Partei, die sich in Regierungsverantwortung weiter reichenden Reformen verschloss, wie sie den Grünen schon lange vorschwebten.
In der Koalition mit der CDU können sich die Genossen nun hinter den zögerlichen Konservativen verstecken. Dabei ist die weitere Entwicklung an den EU-Südgrenzen absehbar. Despotien, Islamismus, gescheiterte Staaten. Davon spricht auch der Philosoph al-Azm: Wenn in Syrien das große Morden vorüber ist, werden die Warlords bleiben.
Aufnehmende statt abwehrende Haltung
Wer dem entkam, kehrt so schnell nicht zurück. Will die Europäische Union eine humanistische bleiben, muss sie statt in Befestigungen in ein einheitliches Reglement zur Verteilung und Integration Asylsuchender investieren. Ebenso auch konsequent zwischen jenen unterscheiden, die ihr nacktes Leben retten, und jenen, die vor allem ein ökonomisch besseres suchen. Für Letztgenannte sollten die vereinigten Staaten von Europa endlich Anreize für ein legales Bewerbungs- und Einreiseverfahren schaffen.
Flucht- und Asylgründe lassen sich zwar nach Region und Herkunft nicht immer klar trennen, doch eine aufnehmende statt eine abwehrende Haltung würde mit der Zeit eine vernünftigere Anleitung zur Praxis entfalten. Nur müsste man endlich damit beginnen.
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