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Kommentar AuftrittsverbotEigentor für die Rote Flora

Lena Kaiser
Kommentar von Lena Kaiser

Dem Theaterchef Corny Littmann im Nachhinein die Bühne zu verbieten, fällt nun erstmal auf die Rote Flora zurück

M it dem Bühnenverbot gegen Corny Littmann hat sich das Plenum der Roten Flora ziemlich in die Nesseln gesetzt. Klar: Alle politischen Orte entscheiden im Grunde ständig darüber, wen sie in ihrem Räumen willkommen heißen wollen und wen nicht. Das gilt selbstverständlich nicht nur für die linke Szene.

Die Flora hat das Bühnenverbot einerseits damit begründet, dass der Schmidt-Theater-Chef und ehemalige Präsident des FC St. Pauli eine treibende Kraft der Gentrifizierung in St. Pauli ist. Andererseits haben sich die Rotfloristen mit den Initiativen solidarisiert, die gegen die Vertreibung im Stadtteil kämpfen. Littmanns Rolle ist in der Szene nicht erst jetzt umstritten.

Der Grund, warum der Streit jetzt hochkocht, liegt wohl vor allem daran, dass die Rotfloristen Littmann den Auftritt im Nachhinein verweigern – also erst nachdem die Veranstaltung längst geplant und angekündigt wurde. Ihn jetzt auszuladen, fällt nun, weil es bekannt wird, erstmal auf die Flora zurück.

Denn das Vorgehen wirft natürlich die Frage auf, nach welchen Kriterien das Flora-Plenum eigentlich entscheidet. Warum darf zum Beispiel Jan Delay auftreten, der sich in einem Marketing-Film vom schwedischen Möbelhaus die Küche seines Studios einrichten lässt? Auch die Ansiedlung von Ikea in Altona ist doch in Hamburg bei Gentrifizierungskritikern umstritten. Warum gilt das Argument also für Littmann, aber nicht für alle?

So oder so, dürfte es eher unwahrscheinlich sein, dass der Streit um das Bühnenverbot nun dazu beiträgt, den Konflikt auf St. Pauli zu lösen.

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Lena Kaiser
Transformatorin und Autorin
studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Ethnologie in Potsdam, Berlin und Mexiko-Stadt und schreibt seit 2009 für die taz. Sie volontierte bei der taz in Hamburg, war dort anschließend Redakteurin, Chefin von Dienst und ab Juli 2017 Redaktionsleiterin. 2019 wechselte sie in die Produktentwicklung der taz und ist verantwortlich für die Digitalisierung der täglichen taz.
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8 Kommentare

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  • T
    Tschüss

    In die Nesseln gesetzt hat sich Herr Littmann als Pate von St. Pauli, als Feind der freien Presse (Kubareisen), als Person, die in erster Linie die eigenen, vor allem finanziellen Vorteile, sucht. Das System Littmann auf St. Pauli bedürfte der näheren Betrachtung wie seine Beteiligungen bei Gesellschaften des FC St. Pauli und aller anderen Geschäfte, die Herr Littmann auf st. Pauli kontrolliert. Und nicht in jedem Wohnzimmer ist man aus gutem Grund willkommen. Wie man sieht aus gutem Grund - wer solche Vergleiche zieht, kann doch am besten die Stadt gleich umgehend verlassen.

  • T
    Tomtom

    Neulich. Am Eingang der roten Flora: "Entschuldigung, wisst Ihr, ab wann denn die Beatpoeten heute Abend nun so ungefähr auftreten?"

     

    "Jaohmnnnichweissauchnicht. Hmm... Joa... nö, ja uhmwerdensiewohl. Aber ey könntjaschonmalbezahlenundnochmal wiederkommen..."

     

    Kein Wunder, das "denen" die Kieztheather nicht passen, wenn selbst das Haus73 angeblich "zu kommerziell" ist...

  • DB
    Differenziert betrachten...

    @Stefan

     

    Dem ist nichts hinzuzufügen.

  • BT
    Booker T.

    Da die Flora kein Veranstalter ist und es dort folgerichtig keine Konzertgruppe gibt, können Veranstaltungskollektive dort anfragen und da das "Plenum" die nicht kontrolliert, fällt so was halt erst später auf.

  • B
    boateng

    @ Stefan

    "unsäglichen Nazivergleich"

    Schmeckt se nich, die eigene Medizin?

  • S
    Schreiber

    Jan Delay ... und genau das ist der Punkt warum man die Floristen absolut nicht mehr ernst nehmen kann. Das sind meiner Meinung nach ganz normale wertlose Heuchler wie alle anderen auch. Rote Flora war gestern.

  • MM
    Man, man, man...

    Also mal ganz ehrlich, hier geht es um eine Gegenveranstaltung zu Vattenfalls Atomstrom Lesetagen.

    Dass meine Nachbarn in der Flora das ganze nun zu einer politischen Grundsatzdiskussion hochstilisieren finde ich genauso albern wie Cornys Nazivergleich. Wir alle wollen doch ein Statement gegen kulturell verpackte Atomstromwerbung setzen – dass die Scherben und scherbennahe Künstler dafür gewonnen werden konnten ist klasse und es könnte eine großartige Veranstaltung werden, ähnlich wie damals auf dem Rathausplatz – „Es ist vorbei – bye-bye Vattenfall“.

    Also reißt Euch mal zusammen, hört auf mit Gentridingsbums hier und Naziblabla da!!! Lasst uns mit einem geilen Abend Vattenfall den Allerwertesten ins Gesicht halten!

    Die letzte Schlacht gewinnen wir!

  • S
    Stefan

    In die Nesseln gesetzt hat sich meines Erachtens eher Littmann mit seinem unsäglichen Nazivergleich.

    Es ist aber ein himmelweiter Unterschied, ob man in einem Marketing-Video auftritt, oder ob man, wie eben Littmann, eine treibende Kraft in puncto Gentrifizierung ist.

    Wobei angemerkt sei, dass der Auftritt von Jan Delay in der Flora auch nicht unumstritten war.

    Wie dem auch sei, irgendwo muss eben eine Grenze gezogen werden. Und natürlich kann man nicht einerseits solidarisch mit der ESSO-Ini sein und anderseits jemanden auftreten lassen, der mit den Widersachern der Ini "klüngelt".