Kommentar Aufklärung zu Kundus: Geheimniskrämerei kann helfen
Den Medien fehlt für die langwierigen Ausschüsse der lange Atem. Besser ist es, sie über eine gewisse Geheimhaltung bei der Stange zu halten
D iese Woche müssen sich die Fraktionen im Bundestag darauf einigen, wie der Untersuchungsausschuss zur Vertuschungs-Affäre nach dem Luftangriff in Kundus tagen soll: öffentlich, halböffentlich, überwiegend geheim? Grüne und Linke verlangen ein Höchstmaß an Öffentlichkeit, die Sozialdemokraten etwas weniger, CDU und FDP nur ein Minimum.
Niemand zweifelt daran, dass alles über die grauenhaft falsche Entscheidung von Oberst Georg Klein und seinem Fliegerleitoffizier sowie deren Folgen und Nachspiel auf den Tisch gehört. Was aber hat die Öffentlichkeit davon, wenn der Ausschuss öffentlich tagt?
Die Erfahrungen mit den Untersuchungsausschüssen der vergangenen Jahre - etwa zur Visa-Affäre (Joschka Fischer: "Schreiben Sie rein, Fischer ist schuld") oder zum BND im Irakkrieg - waren ernüchternd. Die Ankläger brachten stets ihr Enthüllungsinteresse durch offensichtliche tagespolitische Motivation in Misskredit. Die Angeklagten verhinderten stets durch eine Kombination von Gedächtnislücken und Detailauswalzungen jede Erkenntnis.
Ulrike Winkelmann ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.
Die Anwesenheit von Medien schien daran wenig zu ändern - ihre Geduld war ohnehin kürzer als die des Ausschusses.
Der Aufklärung wäre am meisten gedient, wenn Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg einfach den relevanten Teil des Nato-Berichts zu Kundus herausgäbe. Darüber, was das Kanzleramt wusste, dürfte kaum ein Papier zutage zu fördern sein.
Kommt der Ausschuss, könnte die Opposition vom Ausschluss der Öffentlichkeit auch profitieren. Statt zu erleben, wie die Journalisten von Sitzung zu Sitzung das Interesse verlieren, könnten die Kritiker die Medien selbst mit Material und spin ausstatten. Womöglich wäre dies sogar im Sinne der Sache: Geheimhaltung sorgt wie von selbst für die Skandalisierung, die das Thema Afghanistan braucht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?