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Kommentar Aufarbeitung in TunesienTunesien will echte Demokratie

Reiner Wandler
Kommentar von Reiner Wandler

Dass die Tunesier wie die Ägypter ihre Vergangenheit selbst aufarbeiten, ist etwas Besonderes. Damit zeigen sie, dass sie es ernst meinen mit der Demokratie.

N ur fünf Monate nach dem Sturz von Zine El Abidine Ben Ali hat die tunesische Justiz ein Verfahren gegen den Expräsidenten eröffnet. Er wird sich für Korruption verantworten müssen. Weitere Verfahren wegen illegaler Bereicherung und wegen der Verbrechen, die Ordnungskräfte während der Proteste, die zum Ende von Ben Alis Herrschaft führten, an Demonstranten begangen haben, werden folgen. Tunesien tritt damit in die Fußstapfen Ägyptens. Beide Länder arbeiten ihre Vergangenheit selbst auf und überlassen dies nicht der internationalen Justiz.

Das ist etwas Besonderes. Denn in lateinamerikanischen Ländern wie Argentinien oder Chile hat es Jahrzehnte gedauert, bis sich die Richter der eigenen Geschichte annahmen - von europäischen Diktaturen wie der spanischen ganz zu schweigen. Dort ist bis heute, über 35 Jahre nach Ende der Franco-Diktatur, gegen keinen einzigen der Verantwortlichen ein Verfahren eröffnet worden.

Die Anklage und die Ermittlungen unabhängiger Kommissionen in Tunesien sind zustande gekommen, weil die Bevölkerung dies forciert hat. Die Tunesier wollen echte Demokratie. Ein Rechtsstaat, der nicht vor der Vergangenheit haltmacht, ist ein wichtiger Schritt.

Bild: privat

REINER WANDLER ist Spanien- und Nordafrika-Korrespondent der taz.

Noch wähnt sich Ben Ali im saudischen Exil in Sicherheit. Doch zwischen den Ländern besteht dank eines Vertrages aus dem Jahr 1983, den die meisten arabischen Länder unterschrieben haben, ein Auslieferungsabkommen. Sobald das Auslieferungsgesuch offiziell ist, wird es spannend. Saudi-Arabien und andere Regime der Region werden gestürzten Staatschefs nur Exil gewähren, solange sie dadurch keinen Schaden nehmen. Die Entwicklung in der arabischen Welt ist unvorhersehbar. Die Zeiten ändern sich - und zwar schnell.

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Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
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1 Kommentar

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  • WB
    Wolfgang Bieber

    Die Tunesier wollen echten Fortschritt. Sie sind sich darüber im klaren, dass die Vertreibung Ben Alis nur der erste Schritt war und das schwierigste erst noch kommt. Hier gibt es ein sehr lesenswertes Interview mit der tunesischen Bloggerin Lina Ben Mhenni:

    http://www.theeuropean.de/lina-ben-mhenni/7108-tunesien-nach-der-revolution