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Kommentar Attentatserie in ToulouseVernunft gegen Gefühl

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Die Attentatsserie von Toulouse hat dem Präsidentenwahlkampf in Frankreich einen völlig anderen Charakter verliehen. Den Wählern stellen sich nun existenzielle Fragen.

S eit Wochen schien das Drehbuch der französischen Präsidentschaftswahlen festgelegt: Amtsinhaber Sarkozy war so unpopulär, dass nach Meinung vieler einem Erfolg François Hollandes nichts im Wege steht. Heute wollen sich nur wenige derer, die eben noch dem Sozialisten einen Erdrutschsieg voraussagten, festlegen lassen: Der Wahlkampf wird nach der offenbar islamistischen Wahnsinnstat von Toulouse einen völlig anderen Charakter haben.

Nichts habe man so sehr befürchtet, heißt es im Team von Hollande, wie ein völlig „unvorhersehbares Ereignis“. Für die französischen Wähler stellen sich nun unvermittelt auch geschichtsphilosophische Fragen. Welchen Stellenwert haben die großen Trends, die dem Einzelnen oft als Determinanten der gesellschaftlichen Entwicklung erscheinen? Was kann ein Mensch, was können kleine Gruppen dagegen überhaupt bewirken? Und liegt nicht im Motiv terroristischer Verbrecher auch die größenwahnsinnige Absicht, mit einer die Normen sprengenden Tat aus der anonymen Masse herauszutreten, ja: Einfluss zu nehmen auf Geschichte?

Was vermag der „Zufall“ Toulouse gegenüber der „Notwendigkeit“, fragte dieser Tage ein geradezu hegelianischer Leitartikel in Le Monde – und drückte die Hoffnung aus, dass sich mit der Einsicht in die „Notwendigkeit“ die gesellschaftliche „Vernunft“ gegen die individuelle „Emotion“ durchsetzen möge.

Bild: taz
Rudolf Balmer

ist Frankreich-Korrespondent der taz.

Es gibt in Frankreich jedoch genügend Demagogen, die alles tun werden, um die Wirkung der Gefühlsaufwallung nach dem Attentat noch länger auszubeuten. Ob das im Wahlkampf nur Störsignale bleiben werden oder ob die Republik am Beginn einer weiter reichenden Wende steht, ist längst nicht vorausbestimmt.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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8 Kommentare

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  • FF
    Ferdinand- Friedrich

    Doitschelan hat sich für den tolerant-friedlichen Untergang entschieden, seit Februar 2012 sogar mit ersatzreligiösen Trauerfeiern und von Verdi angeordneten Schweigeminuten.

    Es wurden 30-40 Jahre verplempert, es wurde das Füllhorn des steuerfinanzierten Sozialstaats an Transferleistungen für Murats 3er-BMW mit Messerstecherlizenz ausgeschüttet, bis die Eurokrise kam, nun sind wir pleite, haben aber MohammedanerInnen unter rotzgrün in Massen eingebürgert, die nun bei uns (und in Frankreich) Wahlen entscheiden!

    Sarkozy warnte letzte Woche, alle MohammedanerInnnen unter “Generalverdacht” zu stellen, denn Hollande als Petin 2.0 steht schon Gewehr bei Fuß zum Einzug im Palais Elyssee.

    Der rotzgrüne Bunteskanzler Schröder gewann 2002 gegen Stoiber mit gerade einmal 6.600 Stimmen, bei allein 55.000 illegalen türkischen Doppelpassbesitzern, wobei in Umfragen 77% aller Türken SPD wählten!

     

    “Bildet einen Staat im Staate, aber nennt es nicht so!”, sagte der C*DU-Politiker Erdogan unlängst, die Staatenbildung ist bereits abgeschlossen!

     

    Auch wenn wir die “Kühnsche Rebellionsgrenze” noch nicht bemerken, weil Köln kein Kölsch für Nazis ausschenkt, die Türken haben bereits die Macht im Lande übernommen, kein Politiker wird mehr gegen sie regieren, wird deutsche Interessen durchsetzen, das wäre “wenig hilfreich”, daher ist der Multikulturalismus “alternativlos!”

     

    Nun, es soll nur später kein rotgrünschwarzgelber PolitikerIn behaupten, er haben von all dem “nichts gewusst!”

     

    Den Kampf gegen die türkische Invasion haben wir verloren, aber die rotgrünschwarzgelben PolitikerInnen, deren unsere Kinder und Enkel habhaft werden, werden ihre Quittung bekommen.

  • DP
    Daniel Preissler

    @leila

    die ist ein kleiner unterschied zwischen breiviks manifest und dem koran in bezug auf den attentäter von toulouse und montauban entgangen: letzterer hat den koran nicht geschrieben!

    d:-)

  • A
    anke

    Vernunft gegen Gefühl? Sie sind ein Zweckoptimist, Herr Balmer!

     

    Mag ja sein, dass sich "für die französischen Wähler […] unvermittelt auch geschichtsphilosophische Fragen [stellen]". Aber die Wähler werden den Teufel tun, diesen Fragen auch nur einen einzigen Augenblick ihrer kostbaren Zeit zu schenken. Sie werden sie ganz einfach ignorieren, die geschichtsphilosophischen Fragen. Sie haben schließlich nie gelernt, dass Denken sich gut anfühlen kann. Und immerhin haben sie an dieser Stelle dann doch etwas gemeinsam mit ihren Politikern: Was kein gutes Gefühl verspricht, das halten sie für pure Zeitverschwendung. Carpe diem!

  • ML
    Max Lewien

    Anläßlich der Anschläge von Toulouse titels die FR "Behörden kannten Attentäter". Ungeklärt und politisch höchst verdächtig ist auch die anscheinand völlig überflüsssige Tötung des Merah, der unentrinnbar in der Falle der Sicherheitskräfte saß.Sollte da Mitwisserschaft u.a.mehr beseitigt werden?

     

    Nützen die Anschläge schon wegen ihres puren Vorkommens Sarkozy im Wahlkampf, wie Balmer oben richtig schreibt, darf man angesichts der von mir aúfgézählten Merkwürdigkeiten im Nichthandeln und Handeln französischer "Sicherheitskräfte" durchaus die Frage nach dem cui bono, also nach evtl. politisch motivierten geheimen Geschehenlassern , Begünstigern dieser Untaten stellen.

     

    Schließlich steht Sarkozys "Lager" schon wegen der obskuren Sexaffaire Dominqique Strauss-Kahns in einem zugegeben häßlichen Manipulationsverdacht- der wurde dadurchals Wahlkampfkonkurrent von Sandstrahl-Sarko duch diesen Skandal erledigt. Und Beeinflussung von Wahlchancen durch Einsatz politisch motivierter Gewalttaten ist nichts Neues. Hatten wir in der BRD nicht z.B. das wahlnahe Oktoberfest-Attentat, das bis heute nicht aufgeklärt ist?

     

    Ich gebe zu, daß sich meine Ausführungen ein wenig wie Verschwörungsparanoia lesen. Das nehme ich aber in Kauf. Mißtrauen ist m.E. angesichts der aufgezählten Indidzien politkriminalistisch angesagt , man nehme nur mal an, es gäbe heute noch - oder schon wieder?- eine scheußliche rechtslastige Nato-Organisation wie Gladio- wie zur Zeit des Anschlages von Bologna!

  • S
    Stefan

    Jetzt sind es die "Demagogen", die "Gefühlswallungen" ausbeuten. Da liegt die Schuld. Nicht etwa bei den Hetzern und Mördern. Und das Thema muss ja auch schnell wieder unter den Teppich gekehrt werden.

  • HW
    hartmut wagner

    Der Islam ist eine friedliche Religion, ja klar!

  • L
    leila

    "Es gibt in Frankreich jedoch genügend Demagogen, die alles tun werden, um die Wirkung der Gefühlsaufwallung nach dem Attentat noch länger auszubeuten"

     

    Warum sollte es in Frankreich anders sein als in Deutschland? Es war mir unheimlich, dass lauernde Abwarten, den Wettbewerb zwischen "Lasst es bitte Rechtsextremisten sein" und "hoffentlich ist es ein Mohammedaner" anzusehen.

     

    Es gab wie schon bei den Verbrechen von Breivik voreilige Falschverdächtigungen, bei der mordserie der NSU wurde jahrelang das türkische Milieu verdächtigt, diesmal sollten es franzöische Nazis sein. Wenn es welche gewesen wäre, würde die taz dann auch über demagogische Ausbeutung schreiben?

     

    Ich erinnere mich noch an den Aufmarsch der Autoren, die die Morde von Breivik genüßlich bis in das letzte Detail ausgebeutet haben. Wird Meli Kiyak diesmal fragen: Mitbürger, die ihr euch als Juden, seht oder gesehen werdet - wie geht es euch?

     

    Wird jetzt auch der Koran mit der gleichen Intensität studiert werden wie Breiviks Manifest? Oder macht es keinen Sinn, weil diesmal nicht Broder darin vorkommen wird und auch nicht der Geist Sarrazins weht? Oder wird man jetzt, demagogisch ins Hintertreffen geraten, seine Vorteil suchen und der ausgrenzenden Gesellschaft die Schuld zuweisen.

  • V5
    Vati 5672

    Was könnte helfen?

     

    Mehr Islam, mehr Moscheen, mehr Mittel im Kampf gegen Rechts. Aber am allerwichtigsten:

     

    mehr Zuwanderung aus islamischen Ländern.

    Am besten nochmal 5, oder nein, besser 10 Millionen Moslems sollten nach Frankreich geholt werden.

    Nur so kann man dem alltäglichen Rassismus entgegentreten.

     

    Das gleiche gilt für Deutschland.

     

    MfG.

     

    Vati 5672