Kommentar Atomunfall: Der Normalbetrieb ist der Skandal
Über das Uran in einem französischen Fluss lachen die Tuareg in Niger bestenfalls. Was mit den Emissionen der Uran-Minen im Niger passiert, ist der permanente Skandal.
In einer großen Atomanlage in Südfrankreich sind einige Kubikmeter mit Uran angereicherte Lösung ausgetreten. Weil auch das Auffangbecken nicht funktionierte, ist das verseuchte Wasser in den für die Abwässer vorgesehenen Fluss gelangt. Je nach Angaben 75 oder 360 Kilogramm Uran insgesamt, ein giftiges Schwermetall, schwach radioaktiv und Krebs auslösend. Die Behörden machten der Öffentlichkeit den Unfall erst einen halben Tag später bekannt. Ein ganz normaler Atomzwischenfall quasi: Vertuschen, ablenken und aussitzen, das sind ja bewährte Methoden in der Branche.
Nun wurde zwar kurzfristig in dem Fluss eine Urankonzentration 1.000-mal über Normalwert gemessen, aber eine Katastrophe war der Unfall nicht. Das Zeug wird sich in den Sedimenten der Flüsse absetzen und vielleicht noch in dem ein oder anderen Fisch zu finden sein. Da können wir zynisch und kühl bleiben, auch wenn dann vielleicht irgendwann ein Angler noch Krebs bekommt, weil er einen Fischs nebst dem darin angereicherten Uran verspeist hat.
Eine Katastrophe ist allerdings wie meist bei der Atombranche der Normalbetrieb. Nicht nur dass eine Atomanlage konstant Radioaktivität an die Luft und das Wasser abgibt. In diesem Fall lohnt es sich, das Uran näher ins Auge zu fassen, den Brennstoff aller AKWs. Im Falle Frankreichs kommt es zu einem Drittel aus dem Niger. Dort wird es in Minen gefördert - im Tagebau und unter Tage wie bei der ehemaligen Wismut AG in Thüringen und Sachsen. Die Wismut hinterlässt tausende Tote und Krebskranke, der deutsche Uranbergbau wurde für gut 6 Milliarden Euro verschlossen, und die Spätfolgen wurden so weit eingedämmt wie möglich. Die Kosten trug der Steuerzahler. Was mit dem Abraum und den Emissionen der Minen im Niger passiert, interessiert ein paar Anwohner, doch die sind den Stromproduzenten und -konsumenten in den Abnehmerländern egal. Auch wenn der Abraum noch ein paar tausend Jahre strahlt. Das ist der permanente Störfall und der permanente Skandal. Über das Uran in einem französischen Fluss lachen die Tuareg in Niger bestenfalls.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links