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Kommentar Argentiniens PräsidentinSchachspiel ohne Bauern

Jürgen Vogt
Kommentar von Jürgen Vogt

Sie hat das Land in nur sechs Monaten gespalten - doch das Kalkül der argentinischen Präsidentin Cristina Kirchner greift viel zu kurz.

A rgentiniens Präsidentin Cristina Kirchner hat es in sechs Monaten geschafft, das Land zu spalten. Was sich gestern in den frühen Morgenstunden im Senat mit einem Stimmenpatt von 36 zu 36 ausdrückte, spiegelt die Stimmung im Land wider. Ihr eigener Vize hatte mit der Forderung nach einem Konsens die Regierungsvorlage über die Agrarexportsteuer gekippt.

Doch bevor jetzt die Staatskrise analysiert wird, noch einmal zurück auf Anfang: Anfang des Jahres stellte die Regierung ein Loch im laufenden Haushalt fest. Mehrere Milliarden Dollar Auslandschulden werden 2008 fällig und niemand weiß, woher das Geld für Umschuldung oder Tilgung kommen soll. Die Agrarexportsteuerquelle sprudelt bereits kräftig, und die Landwirte hatten bisher jeder Anhebung geschluckt.

Am 10. März verkündete die Regierung die variable Anhebung. Einen Tag später riefen die Landwirte den Streik aus. Ab jetzt sind alle Begründungen und Rechtfertigungen der Regierung nachgeschoben: Armutsbekämpfung, weniger Soja, mehr Weizenanbau, preiswerte Lebensmittel für die Bevölkerung. Richtige Ziele, moralisch korrekt, keine Frage. Aber nicht das ursprüngliche Motiv. Das war: Cristina Kirchner braucht Geld.

Dass die kleinen und mittleren Produzenten und damit auch die letzten Reste der Mittelschicht auf dem Land langfristig verschwinden, nimmt die Regierung Kirchner in Kauf. Ihre Politik gleicht dem Ziehen einer Schachspielerin, die das Resultat ihres Zugs nicht antizipiert, sondern erst nachträglich überrascht zur Kenntnis nimmt. Geht es gut, dann war es ein Geniestreich. Geht es daneben, fiele sie dem Gegenspieler zum Opfer. Diesmal ging es nicht gut, und schon kursiert das Wort vom Verräter Cobos.

Die nicht gerade heilige Allianz der vier, zum größten Teil erzkonservativen Agrarverbände hat immer auf das eigentliche Motiv und seine Konsequenzen verwiesen. "Alles auf Anfang, und dann verhandeln wir über eine Anhebung der Steuer", war und ist der kleine, aber feste gemeinsame Nenner der vier.

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Jürgen Vogt
Korrespondent Südamerika
Kommt aus Karlsruhe. Studierte Politische Wissenschaft in Hamburg und Berlin und arbeitete zwölf Jahre als Redakteur und Geschäftsführer der Lateinamerika Nachrichten in Berlin. Seit 2005 lebt er in Buenos Aires. Er ist Autor des Reisehandbuchs “Argentinien”, 2024, Reise Know-How Verlag.
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