Kommentar Arafats Exhumierung: Die Toten ruhen lassen
Wem nützt die Exhumierung Arafats acht Jahre nach seinem Tod? Den Palästinensern nicht, den Israelis nicht, einer durchgeknallten Witwe schon.
A usgerechnet Suha Arafat, Witwe des legendären PLO-Chefs, trieb die Exhumierung ihres Mannes voran, um herauszufinden, wie er gestorben ist. Keine andere als die streitbare Bankierstochter aus Ramallah hatte eine Obduktion verhindert, als sie noch weniger aufwändig, dafür aber deutlich aufschlussreicher gewesen wäre als heute.
Sie habe damals unter Schock gestanden und deshalb an so etwas nicht gedacht, sagt sie. Immerhin war Arafat gut vier Wochen krank, bevor er starb. So überraschend kann sein Tod für sie nicht gewesen sein. Es wird einem flau im Magen, wenn man sich vorstellt, was in dem Sarg liegt, der heute geöffnet werden soll.
Das Misstrauen zwischen der palästinensischen Führung und Arafats Witwe ist so groß, dass gleich mehrere Untersuchungsteams beauftragt wurden, sich der Gewebeproben anzunehmen. Wenn sie zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, wäre nur Israel erst einmal fein raus. Unter den Palästinensern ginge das Rätselraten weiter.
Und selbst wenn sich die Experten auf Mord einigen sollten, wäre das Ratespiel noch immer nicht vorbei. Gerade dann würde man wissen wollen, wer ihm das giftige Polonium in den Tee oder seine Suppe rührte. Die Chancen der Palästinenser auf einen eigenen Staat sind vermutlich besser, als je eine Antwort darauf zu finden.
Ariel Scharon, der Israel damals regierte und sicher alles andere als Sympathie für ihn empfand, ist längst nicht der einzige, der dafür in Frage käme. Mahmud Abbas, Arafats Nachfolger, hätte ein Motiv gehabt, genauso wie viele andere in der Führungsriege, die Opfer der Launen ihres Chefs wurden, der es liebte, gerade seinen engsten Vertrauten öffentlich zu erniedrigen.
Die Mehrheit der Palästinenser wird trotzdem automatisch Israel die Schuld geben, was keine Rolle spielt, denn das Verhältnis der beiden Völker ist ohnehin miserabel. In den Führungsreihen der Fatah würde sich Misstrauen breitmachen und einer den anderen verdächtigen. Nur Suha Arafat kann sich freuen. Das Spektakel in Ramallah ist ganz nach dem Geschmack der durchgeknallten Witwe.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links