Kommentar Antiterrordatei: Kein Krieg gegen den Terror
Terrorangriffe sollten kein Ausnahmezustand sein. Dieser Gedanke ist wichtig, falls es in Deutschland zu einem größeren Anschlag kommen sollte.
T errorangriffe dürfen „nicht als Krieg oder als Ausnahmezustand“ verstanden werden, in dem rechtsstaatliche Regeln außer Kraft treten. Vielmehr handelt es sich um Straftaten, die „mit den Mitteln des Rechtsstaats“ zu bekämpfen sind. Dieser Gedanke thront über dem aktuellen Karlsruher Urteil zur Antiterrordatei und wird noch lange zitiert werden.
Damit reagiert das Bundesverfassungsgericht vor allem auf die Lage in den USA, wo die Terrorismusbekämpfung schon lange als „War on Terror“ geführt wird und man Terrorverdächtige als „feindliche Kämpfer“ ohne viele Grundrechte behandelt.
Dagegen dürften bei uns wohl sogar die härtesten Innenminister dem Credo der Verfassungsrichter zustimmen. Dennoch ist es wichtig, einen derartigen Gedanken als Verfassungsrecht festzuschreiben, damit alle im Ernstfall daran erinnert werden – falls es in Deutschland zu einem größeren Anschlag kommen sollte.
ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.
Der zweite wichtige Ertrag des Karlsruher Urteils ist die erstmalige Benennung eines „informationellen Trennungsprinzips“ zwischen Polizei und Geheimdiensten. Damit wurden die Hürden für den Informationsaustausch deutlich hochgesetzt, auch wenn er wie erwartet nicht völlig verboten wurde.
„Analyse“ hilft kaum
In der Begründung steht allerdings Erstaunliches: Die Polizei ermittele grundsätzlich offen und der Verfassungsschutz berate vor allem die Politik. Wo leben die Richter denn? Bei der Terrorbekämpfung ermittelt die Polizei in aller Regel geheim und der Verfassungsschutz versucht, Gefahren schon im Vorfeld zu erkennen.
Und nach dem Desaster der NSU-Ermittlungen führt daran auch in Zukunft kein Weg vorbei. Das Verhältnis von Polizei und Verfassungsschutz muss zwar neu definiert werden. Die weltfremde Karlsruher „Analyse“ hilft dabei aber kaum.
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