piwik no script img

Kommentar Anschlag in MarrakeschWem nützt es?

Reiner Wandler
Kommentar von Reiner Wandler

Der Anschlag trifft Marokkos wichtigsten Wirtschaftszweig, den Tourismus. Er könnte dem König dazu dienen, die Demokratiebewegung abzuwürgen.

D ie Frage nach der Urheberschaft des Anschlags auf das Caféhaus Argana in Marrakesch ist noch nicht geklärt. Die Ermittlungen dauern an, ein Bekennerschreiben gab es bis zum Redaktionsschluss nicht. Und selbst wenn dies irgendwann vorliegen sollte, bleibt eine Frage, die ebenso wichtig ist wie die nach den materiellen Urhebern: die Frage, was die Bombe bewirkt und wem sie nützt.

Marokko erlebt seit dem 20. Februar eine Bewegung, die in diesem Ausmaße neu ist. Wie in anderen arabischen Staaten auch haben meist junge Menschen mehrmals zu Demonstrationen für mehr Demokratie und gegen die Korruption im Reich von König Mohamed VI. gerufen. Jedes Mal folgen ihnen mehr. Unter dem Druck der Straße versprach der König schnelle Reformen, sehr zum Leidwesen vieler seiner engen Vertrauten und Berater. Sie fürchten um ihre Macht. Die Bombe auf das Caféhaus trifft das Herz der marokkanischen Wirtschaft, den Tourismus. Der Anschlag kann deshalb dazu genutzt werden, die Demokratiebewegung abzuwürgen und Zeit zu gewinnen.

Die letzten großen Anschläge im Mai 2003, als sich Selbstmordattentäter in westlichen und jüdischen Einrichtungen in Casablanca in die Luft sprengten, leiteten das Ende der Reformen unter Mohamed VI. ein, der nur wenige Jahre zuvor den Thron von seinem diktatorisch regierenden Vater Hassan II. geerbt hatte. Tausende mutmaßlicher radikaler Islamisten wurden damals verhaftet, misshandelt und viele von ihnen ohne stichhaltige Beweise zu langen Strafen verurteilt.

Bild: privat

REINER WANDLER ist Spanien- und Nordafrika-Korrespondent der taz und lebt in Madrid.

Jetzt könnte eine ähnliche Entwicklung drohen. Die Frage, wem es nützt, mag für viele pietätlos sein zu einem Zeitpunkt, da die Opfer nicht einmal beigesetzt sind. Doch in einem Land, in dem sich gar nichts bewegt, ohne dass die Geheimdienste dies verfolgen, muss sie gestellt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • TF
    t fugit

    "Die Frage, wem es nützt... in einem Land, in dem sich gar nichts bewegt, ohne dass die Geheimdienste dies verfolgen, muss sie gestellt werden."

     

    Diese Frage sollte auch in Deutschland gestellt werden. Immerhin kam bisher früher oder später heraus, dass bei allen "Terrorgefahren" unsere und US Geheimdienste ihre Finger im Spiel hatten. Es ist für sie die Daseinsberechtigung und Vorwand, um die gesamte Bevölkerung zu Überwachen. Davor sollte man Angst haben und nicht vor ein paar Verwirrten, die sich von Provokateuren benutzen lassen.

     

    Übrigens wurde ein ähnlich lautendes Kommentar bei der Tagesschau Zensiert und nicht freigeschaltet. Wem nützt das Staatsfernsehen?

  • M
    Mats

    Nicht nur die frage wem dieser und andere Anschläge nützen muss gestellt werden, sondern auch die Frage, was ein solcher Anschlag einer islamistischen Organisation nützen würde, die ihren Einfluss im Volk stärken wollte.

    Da Marokko vom Tourismus lebt, wäre ein solcher Anschlag höchst kontraproduktiv.

     

    Und in Ägypten gab es schon Beweise, dass der Geheimdienst hinter den angeblich islamistischen Anschlägen steckt.

    http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Aegypten/staatsterror.html

    1+1 zusammenzählen.