Kommentar Anklage gegen Wikileaks-Quelle: Wer ist der Feind?
Das Wissen, das Wikileaks öffentlich gemacht hat, hat die Welt verändert. Sollte Bradley Manning die Quelle sein, hätte er Zivilcourage gezeigt.
D ie Dokumente, die über Wikileaks an die Weltöffentlichkeit gekommen sind, haben längst Geschichte gemacht. Sie haben das Wissen über das Kriegsgeschehen im Irak dramatisch vertieft. Und sie haben nie zuvor da gewesene Einblicke in das Leben und Tun der politisch Verantwortlichen in aller Welt geliefert.
Es sind Hintergrundinformationen, die nicht zuletzt beim Verständnis der Bewegungen gegen autoritäre Regime in der arabischen Welt - von Tunesien über Ägypten bis Libyen - helfen.
Ein solches Wissen kann Kriege verhindern. Man male sich aus, Wikileaks hätte schon 2003 existiert und es geschafft, das Nicht-Vorhandensein von Massenvernichtungswaffen im Irak öffentlich zu machen: Wer wäre mit George W. Bush in die Schlacht gezogen?
DOROTHEA HAHN ist USA-Korrespondentin der taz.
Sollte der ehemalige Nachrichtendienstsoldat Bradley Manning tatsächlich die Quelle für die nie da gewesene Menge von sensiblen Daten und Informationen sein, die an die Öffentlichkeit gelangt sind, hat er Historisches geleistet.
In einer Situation, wo Zigtausende anderer SoldatInnen blinden Gehorsam leisten, hätte er Zivilcourage gezeigt. Er wäre seinem Gewissen gefolgt, weil er nicht Komplize bei Kriegsverbrechen sein wollte. Für solche Gesten gehören Menschen nicht in den Kerker, sondern auf einen Sockel. Und die USA täten gut daran, diese historische und politische Dimension des Falles Manning und Wikileaks zu berücksichtigten.
Doch jenseits der Person Manning steht seit Mittwoch etwas anderes im Raum: ein beunruhigendes Stichwort, das all jene betrifft, die dankbar über die Informationen von Wikileaks sind - JournalistInnen, HistorikerInnen und die große Öffentlichkeit: "der Feind". Die US-Militärjustiz erhebt den Vorwurf der "Kollaboration mit dem Feind". Wer ist der Feind?
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