piwik no script img

Kommentar AltersvorsorgeFalsche Freiheit

Eva Völpel
Kommentar von Eva Völpel

Es spricht alles dafür, Selbstständige ins System der Altersvorsorge einzubinden. Aber der jetzt eingeschlagene Weg ist der falsche.

I n den Vorstandsetagen der Versicherungskonzerne dürfte man sich derzeit ins Fäustchen lachen. Liefert die Bundesregierung den Unternehmen doch eine neue, zahlungskräftige Klientel frei Haus. Keine Missverständnisse: Es spricht alles dafür, Selbstständige in das System der Altersvorsorge einzubinden. Aber der jetzt eingeschlagene Weg ist der falsche.

Künftig müssen Freiberufler wählen zwischen einer Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) oder bei profitorientierten Unternehmen. Die Regierung erweist damit manch Einzelnem und der Gesellschaft einen Bärendienst. Die Privaten werden mit vermeintlich günstigen Beiträgen locken. Sie bestreiten aber auch nur die Altersvorsorge.

Eine Absicherung bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben wegen Krankheit oder Behinderung muss man sich dazukaufen. Das wird umso teurer, je labiler man gesundheitlich ist. Oder ganz unmöglich, weil die Privaten einen Vertrag verweigern. Die GRV hingegen bietet, mit Alters- und Erwerbsminderungsrenten oder Rehaleistungen, mehr Schutz. Sie wälzt auch nicht Einbrüche an den Kapitalmärkten auf die Versicherten ab.

EVA VÖLPEL

ist Redakteurin für Soziales und Arbeitsmarkt im Inland der taz.

Mit ihrer Entscheidung schwächt die Bundesregierung die GRV und ihr Solidarprinzip: Besserverdienende Selbstständige müssen auch künftig nichts in die gesetzliche Kasse einzahlen und den sinnvollen Generationenpakt mitfinanzieren. Die GRV, das heißt deren Beitragszahler, müssen sich allein um die kümmern, die wenig Geld oder ein hohes Risiko haben, vorzeitig aus dem Beruf auszuscheiden.

Jetzt kann man nur hoffen, dass viele Freiberufler gegenüber den Privaten abwinken. Sei es, weil sie der Schönfärberei der Konzerne nicht trauen, sei es, weil sie solidarischer denken als Schwarz-Gelb.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Eva Völpel
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1976. Ist seit 2009 bei der taz und schreibt über Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie die Gewerkschaften
Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • KK
    Karl K

    @ von Felix

    @  von broxx

    @ von Thomas

     

    Ihr, sorry, Schelme spielt bewußt oder unbewußt mit gezinkten Karten.

     

    Es ist keine Frage von Neid. Sondern vorrangig von Solidarität.

     

    Felix, das Rentenkonto deiner Protagonisten kennen wir beide nicht. Wer da was wie, in welcher Höhe, über welchen Zeitraum geklebt hat. Wir wissen es nicht. Ist aber entscheidend.

     

    Das " Backsteinmodell" ist mir aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis gut bekannt. Relativ solide. Aber erkennbar kaum außerhalb von Städten anwendbar. Und was, wennste kopeister gehst? Lehrer behält die 3.Wohnung, Elektromeister eher nich)

     

    Das " Papiermodell" ? Jedem müßte klar sein, daß es am Aktienmarkt - bei den Kunden(!) zwingend immer als Pendant die Verlierer gibt.

    Gerade ist ja eine ganze Generation besonders Schlauer in der Finanzkrise absicherungsmäßig den Bach runter gegangen.

     

    broxx," nur Mindestbeträge" - Ob und inwieweit hier die von Peter Teufel aufgezeigte Ausplünderung der Rentenkassen gehôrt( 1000 Milliarden Fremdentnahme is ja'n Wort!) weiß ich nicht.

    Ich kann da nur auf den komfortablen Rentenbezug meines Vaters verweisen.

    Daß so etwas zufriedenstellend funktioniert, ist eine Frage der Ausgestaltung.

     

    Und - nirgendwo steht geschrieben, daß ein Selbständiger auch erfolgreich wirtschaftet( die 'selbständigen' Handelsvertreter von Vorwerck sind da ein unpassendes Beispiel; quasi Rente)

    Und nicht plötzlich, pleite und ohne soziale Absicherung dasteht.

    Und Thomas, einen Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben hat auch der 'gescheiterte' Selbständige. Unseren Müttern und Vätern des Grundgesetzes sei  Dank. Die wußten noch, wie schnell es zu einer Zerstörung des Lebensweges kommen kann.

     

    Wer erlebt hat, wie in den 50/60ern die Kriegsheimkehrer, die Flüchtlinge Bäckereien, Schreinereien, Handwerksbetriebe aller Art aufmachten und viele aus den unterschiedlichsten Gründen nach einiger Zeit den Bach runtergingen.

    Ja der mißtraut - gesamtgesellschaftlich- Systemen wie " ich leg da was beiseite

    ( wohin?) etc" nachhaltig.

    Jede Wirtschaft ist dynamisch und "gegen einen zusammenbrechenden Bachofen" , den " spottbillig anbietenden amerikanischen Holzdiscounter" reicht die eigene Finanzdecke und Kreditwürdigkeit meist nicht.

     

    Menschenwürde und die Verschränkung von Rechts- und Sozialstaat fordern und schaffen Solidarität.

    (Dieses Verfassungskonstrukt hat das Verfassungsorgan Bundespräsident Gauck bis heute nicht begriffen)

    Niemand wirtschaftet im luftleeren Raum. Das gilt europaweit ( Stichwort

    " Exportweltmeister") wie im klein-klein der Republik.

    Meines Alten " Klitsche", Bäckereibedarfsgroßhandel, ein-Mann-eine-Frau-Betrieb lief immerhin so gut, daß er, Abi erstes Gumminasium am Platze, sagte: " ich kann denen doch nicht erzählen, was ich verdiene! Was die haben, ja da kannste ja keine Familie ernähren." - " Die", das waren der Herr Amtsrichter, der Herr Staatsanwalt, der Herr Anwalt, der Herr Studienrat etc!

    Das waren aber auch alle Malocher !!!

    ( mein Bruder verdiente als Lumberjack im Akkord 1000,--DM; Spitzenverdienst!).

     

    Heißt also, deren Lohn/Gehalt- Deckelung machte den ausreichenden Gewinn meines Vaters erst möglich.

    Das war dem Alten mit den Erfahrungen von zwei Weltkriegen natürlich klar. Und so zahlte er - schon auch mal knurrend, nicht nur seine Steuern für den täglichen Bedarf der öffentlichen Hand . Sondern auch in das Solidarsystem Rentenversicherung ein.

     

    Ich sehe nicht, wo da heute ein geavierender Unterschied wäre, außer, daß die Selbständigen-Verhältnisse noch prekärer geworden sind.

  • T
    Thomas

    Hurra Deutschland, wir pflegen unsern Neidkomplex.

    Ich gehöre zwar nicht zu der angesprochenen Personengruppe der Selbstständigen, finde aber die Bevormundung durch den Staat und Entmündigung des Bürgers stellenweise unerträglich; besonders die sog. Linken tun sich dabei als ultrakonservativ, d.h. staatserhaltend hervor.

    Zäumen wir doch das Pferd anders rum auf: Die Leute haben die Wahl zwischen Privat und Gesetzlich; wer sich für gesetzlich entscheided muss auch dann alleine klarkommen, wenn er als Selbstständiger scheitert und seine Beiträge nicht weiter bezahlen kann. Es muss ausgeschlossen werden, dass in diesem Fall die Gemeinschaft (=Steuerzahler) diese Klientel versorgt, die sich bewusst in dieser Frage außerhalb der Solidargemeinschaft gestellt hat

  • B
    broxx

    Wat´n Quatsch. Die GRV zahlt nur "Mindestbeträge" aus von denen eigentlich keiner leben kann. Was soll ein Selbstständiger (mit Haus, 3xUrlaub im Jahr usw) mit ca 1000 Euro Rente? Normalerweise legen Selbstständige für ihre Rente selbst was weg (wir z.B. 1500Euro/Monat), damit wir im Alter nicht nur Tauben füttern können. Problematisch wirds doch nur bei Leuten die vom Arbeitsamt in die Selbstständigkeit gedrückt wurden. Wie sollen die eine Altersvorsorge betreiben mit ca 1000-1500€ Monatsverdienst.

  • D
    Domenq

    Das Maß an Idiotie und Verlogenheit in unserer schein-demokratischen Kartell-Republik ist unerträglich geworden.

  • F
    Felix

    In meiner Strasse wohnen zwei Staubsaugervertreter von Vorwerk im Ruhestand. Beide waren selbständige Handelsvertreter. In den 1960ger Jahren öffnete die Regierung die gesetzliche Rente eine Zeit lang für Selbständige. Einer der Nachbarn nutzte die Gelegenheit und ging in die gesetzliche Rentenversicherung. Der andere legte sein Geld privat an, einen Teil sicher in Bankpapierenk einen Teil in Aktien, ausserdem kaufte er nach und nach mehrere kleine Eigentumswohnungen in der nahe gelegenen Stadt.

     

    Beide haben monatlich den selben Betrag für die Rücklagenbildung aufgewendet.

     

    Nun sind beide im Ruhestand und sie leben in folgenden Verhältnissen:

    1. Der gesetzlich Rentenversicherte muss mit ca. 500 Euro im Monat auskommen.

    2. Der mit der selbst aufgebauten Altersversorgung aus Geldanlagen und Eigentumswohnungen ging mit einem Vermögen von fast 2 Millionen DM in den Ruhestand!

  • KK
    Karl K

    Der Kommentar fegt diesen ganzen PseudoVersicherungsSchmuh,

    mit dem sich Typen ala Maschmeyer & Co nur die Taschen füllen wollen, souvarän beiseite.

     

    Gesetzliche Rentenversicherung ist der wahre Jakob.

    Mein alter Herr hat erst als Angestellter seit den 20gern, nach WK II als Selbständiger immer Höchstsatz geklebt ( war früher ja möglich!) .

    Er hatte zum Schluß mit der Schwerbeschädigtenrente meiner

    Mutter mehr " auf Tasche", als ich als jungdackeliger Richter aktive Bezüge!

    ( Dieser ganze Dünkel: " ich bin Selbständig, ich bin was Besseres" war ihm allerdings auch zutiefst fremd.)

    Noch Fragen?

  • P
    Philipp

    Der Generationenvertrag hat auf kurz oder lan schon wegen der demografischen Entwicklung ausgedient. Warum sollte man die Freiberufler für eim System verpflichten, was auf absehbare Zeit nicht mehr funktioniert? Lawrence Leuschner

  • W
    Winfried

    Die meisten Selbstständigen dürften gut abgesichert sein. Das Gesetz betrifft nur Kleingewerbetreibende mit Minieinkommen, die durch die Pflicht zur Altersvorsorge in den endgültigen Ruin getrieben werden und dann auf Hartz IV fallen.

  • S
    Sprachlos

    Von welcher zahlungskräftigen Klientel sprechen Sie, Eva Völpel? Das Heer jener, die im Niedriglohnsektor, in Callcentern für 5-7 Euro die Stunde (schein) selbständig schuften? Da sind viele schon mit der Krankenversicherung im Rückstand, weil das Geld nicht reicht. Man hat nicht durchgängig Aufträge, man ist mal krank, auch dann fällt die Kranken- und künftig die Rentenversicherung an, die sich, nebenbei bemerkt nicht an den Einnahmen bemisst, es handelt sich um feste Beträge, die gezahlt werden müssen, auch wenn es einen Monat keine Einnahmen gab. Bei den genannten Summen von 5-7 Euro die Stunde lässt sich auch nichts ansparen. Festanstellungen gibt es immer weniger.

  • L
    Lisa

    Ein sehr interessanter Kommentar!

     

    Wer mal gehört hat, wieviele Millionen Euro Parteispenden die Versicherungsindustrie an die Bundestagsparteien verteilt hat, bevor die damalige rot-grüne Bundesregierung die Riester-Rente beschlossen hat, die auch nur den Versicherungen nutzt, weiß Bescheid für wen die Bundesregierungen arbeiten.(Egal welche Partei, geschmiert sind, außer der Linkspartei und - noch - den Piraten alle.)

     

    Soviel zu den "Volks"parteien. Die faktisch nur Lobbyistenparteien sind. Und die gewöhnlichen kleinen leute haben nun mal keine Lobby. Deshalb gehen auch immer weniger leute wählen.

  • A
    Alexander

    Ich kann nicht nachvollziehen wie es zu der Einschätzung einer "zahlungskräftigen Klientel" kommt?

     

    Ich denke es sind eher die in (Schein-/Präkär-)selbstständigkeit abgeschobenen Mitmenschen, die täglich ums überleben kämpfen.

     

    Die Frage nach der Versorgung im Alter ist eine sehr uneinsichtige. Wenn bereits heute die Vermögenden sich entsolidarisieren und NICHT an der Rentenfinanzierung für die pensionierten/verrententen Arbeitnehmer teilnehmen und Reiche immer Reicher werden.... da ist doch das eigentlich Problem.

     

    Es ist ohnehin kein Sparscheinprinzip. Morgen ist Morgen. Die Aufgabe ist doch heute gerecht zu sein.

    Das heisst auch das die Segen der Technologie (heute ersetzen Maschienen ja viele Menschenarbeitstunden) gleichmäßig verteilt werden.

     

    Derzeit bereichern sich die Reichen. Ergo das Problem

     

    Fakt bleibt, die Einschätzung einer "zahlungskräftigen Klientel" ist unlogisch. Wären die Betroffenen tatsächlich zahlungskräftig wäre es unlogisch zu Vermuten, dass sie nicht in für das Alter vorsorgen.

     

    Die Wahrheit hinter der bisher fehlenden Altersvorsorge ist, dass diese armen Selbstständigen mehr schlecht als recht verdienen und einfach garnicht in der Lage sind die Probleme von Morgen (Versorgung) zu lösen wenn sie heute schon hungrig sind.

  • T
    tazitus

    Ist Ihnen entgangen, dass vor vielen Jahren Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrente aus dem Leistungskatalog der GRV gestrichen wurden? Gilt ab Geburtsjahrgang

    19 irgendwas. (Sie kriegen das sicher raus.)

     

    Und eine kleine Zusatzinfo: Selbständigen, die (aus Solidarität (sic!) in einer Ersatzkasse, z.B. seit fast 40 Jahren zu Höchstbeiträgen, freiwillig krankenversichert sind, wurde der Anspruch auf Krankengeld gestrichen. Einen benötigten Schutz müssen sie teuer zukaufen.

     

    Sie sind leider nicht auf dem Laufenden. Von der taz bin ich eigentlich Besseres gewohnt.

  • S
    Selbständiger

    Richtig, grundsätzlich spricht nichts gegen eine Rentenversicherungspflicht für Selbständige und Freiberufler. Ich bin als Selbständiger schon freiwillig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versichert und zahle monatlich einen Beitragssatz von 17,1%! Ohne Anspruch auf Krankengeld und ohne den Vorteil einer Familienversicherung zu nutzen! Wenn ich nun noch 19,5% in die Rentenversicherung einzahlen soll bleibt nach der Steuer so gut wie nichts mehr übrig. Wohl bemerkt: Ich zähle nicht zu den Selbständigen, die jeden Monat 10.000 Euro und mehr verdienen. Ich komme über die Beitragsbemessungsgrenze leider (noch) nicht hinaus... Und wenn es in einem Monat mal schlecht läuft und ich vielleicht nur 1.500 Euro an Einkommen habe, errechnet sich mein KV-Beitrag dennoch aus knapp 2.000 Euro!

    Ich wäre FÜR eine Beitragspflicht für alle, also auch für Selbständige, Freiberufler, Beamte und Politiker, dann aber mit DEUTLICH höheren Beitragsbemessungsgrenzen. Nur so könnten die Beitragssätze sinken und eine erschwingliche soziale Absicherung für alle darstellen.

  • V
    vantast

    wir kennen das Problem mit den Mogelpackungen der PKV, günstige Beträge für junge,gesunde Leute und das Elend kommt dann beim Alter. Und niemand kann in die Zukunft sehen. Viele möchten die PKV verlassen, aber deren Lobbyisten haben die Politiker in der Tasche: keine Chance zu einem Wechsel. Wie einfach ist es, den Gasversorger zu wechseln, aber hier ist es eine Entscheidung für's Leben, schlimmer als eine Ehe.

    Was für ein mittelalterliches System der Leibeigenschaft!