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Kommentar Aldi-Label für TierschutzAllemal schneller als der Staat

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Die Pläne der Discounter sind zwar löblich. Doch der Gesetzgeber muss prüfen, ob die Kennzeichnung tatsächlich zu mehr Tierschutz führt.

Discounter Aldi wil transparent machen, woher sein Fleisch kommt Foto: dpa

M ehr Tierschutz kommt im Supermarkt an – jetzt sogar beim Discounter Aldi. Verbraucher- und Umweltschützer reagieren mit verhaltener Freude: na, immerhin. Wie ernst es die Billigheimer mit ihrem neuen Tierwohl-Label für Fleisch meinen, kann noch keiner sagen. Zunächst wollen sie nur eins: Den Verbrauchern mehr Durchblick geben, wie es um das Leben des Tiers bestellt war, bevor sein Fleisch auf dem Teller liegt. Es liegt nach wie vor an der Kundschaft, für welches Fleisch sie sich entscheidet.

Aldi reiht sich mit seiner Transparenzinitiative in die Pläne anderer großer Lebensmittelanbieter ein. Offenbar lässt sich mit Bio, Öko und Tierschutz ganz gut Geld verdienen und der bewusste Konsument landet immer häufiger im Billigmarkt. Alle Lebensmittelketten haben inzwischen Bioprodukte im Sortiment. Die Nachfrage steigt, das Angebot muss mitziehen.

Es sind also ökonomische Interessen, die die Discounter beim Thema Tierschutz antreiben. Doch vermutlich wollen sie auch dem Gesetzgeber zuvorkommen. Seit Langem kündigt das Bundeslandwirtschaftsministerium ein staatliches Tierwohl-Label an. Es gab Kommissionen dazu und Runde Tische mit zig Experten. Hinzu kamen medienwirksame Auftritte diverser Minister und Ministerinnen. Gebracht hat das alles nur wenig. Wer fragt, wird vertröstet, die Geduld von Umwelt- und Tierschutzexperten wird erheblich strapaziert. Doch ein staatliches Siegel wird kommen. Irgendwann.

Nun also prescht die Wirtschaft selbst vor. Aldi wird außer billig nun auch bio, tier- und menschenfreundlich. Wenn die zuständigen Ministerien schon keine eigenen Vorgaben hinbekommen, dann haben sie wenigstens die Pflicht, ihre Funktion als Kontrollinstanz wahrzunehmen. Die Pläne der Discounter sind zwar löblich. Doch bei bloßen Worten und bunten Labeln darf es nicht bleiben. Der Gesetzgeber muss prüfen, ob die Kennzeichnung tatsächlich zu mehr Tierschutz führt. Doch ist er dazu bereit? In den vergangenen Jahren hat besonders das Gesundheitsministerium daran erhebliche Zweifel aufkommen lassen.

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Tanja Tricarico
Ressort ausland
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
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2 Kommentare

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  • Soso, die Discounter fühlen sich also dem Umwelt- und Tierschutz verpflichtet. Das erfreut das Herz des Verbrauchers.



    Ebenso freuen wir uns darüber, dass die Autoindustrie sich seit vielen Jahren dem Umweltschutz verpflichtet fühlt und vor allem dem Feinstaub den Kampf angesagt hat. Ganze Friedhöfe voll Feinstaubopfern würden dieses Loblied gerne mitsingen - wenn sie denn nur noch am Leben wären.



    Die chemische Industrie begeistert uns mit Glyphosat und Medikamenten, die durch ungeprüfte Wirkstoffkombinationen Nebenwirkungen verursachen, die von Ärzten selten erkannt und kaum behandelt werden können.



    Unsere besondere Anerkennung gilt den Textilhandelsfirmen, die giftstoffverseuchte Kleidungsstücke verkaufen, die in Entwicklungsländern von unterbezahlten und den Giften schutzlos ausgesetzten Näherinnen in moderner Sklaverei zusammengestichelt werden.



    Man könnte die Liste durchaus noch fortsetzen.

    • @Hartwig Lein:

      .... z.B. mit der Ausbeutung von chinesischen Wanderarbeiter, die unsere Geräte zur "Digitalisierung" zusammenbauen.



      Wie sollen wir sonst im Internet über das Übel der Welt jammern ;)