Kommentar Agrosprit aus Brasilien: Den Bleifuß pflegen

Damit wir weiter mit Vollgas fahren können, sollen in Brasilien vermehrt Energiepflanzen angebaut werden. Das wird auch zu einer Reduzierung der Nahrungmittelproduktion führen.

Gern und oft wird beim Klimaschutz darauf verwiesen, dass die Welt nur von der Welt gemeinsam zu retten sei. Angeschlossen wird dann immer der Verweis, dass wir in Deutschland Klimaschutz betreiben könnten wie die Verrückten, wenn aber etwa China nichts tue, bleibe das völlig wirkungslos.

Drehen wir den Spieß einmal um: Die Welt ist nur gemeinsam zu retten, jeder muss seinen Beitrag leisten. Zum Beispiel Deutschland: Um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen, ersann die Regierung eine Beimischquote von Agrodiesel. Das heißt übersetzt: Jeder in dieser vollmotorisierten Gesellschaft darf weiter so rasen wie bisher und trotzdem wird der Kohlendioxid-Ausstoß sinken. Agrodiesel hat nämlich den Vorteil, dass er nur annähernd so viel Treibhausgas verursacht, wie er zuvor der Atmosphäre entzogen hat.

Dumm ist nur, dass die deutsche Anbaufläche nicht ausreicht, um den Agrodiesel-Durst der 41,18 Millionen in Deutschland zugelassenen Pkws zu löschen. Weshalb der Agrosprit aus anderen Teilen der Welt importiert werden muss. Kanzlerin Angela Merkel will deshalb übernächste Woche einen Vertrag mit Brasiliens Staatschef unterschreiben, den Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) auf seiner Dienstreise an den Amazonas einfädelte. Zwar warnen Experten in Brasilien, wegen der zunehmenden Ausweitung der Agrosprit-Produktionsflächen müsste Brasilien schon bald Mais, Manjok oder Gemüse importieren. Aber das kümmert die deutsche Politik wenig. Hauptsache, das Wahlvolk darf weiter den Bleifuß pflegen.

Das ist verlogen und kurzsichtig: Klimaschutz hierzulande kommt im Verkehrssektor nicht ohne ein Tempolimit, ohne eine neue Stufe der Ökosteuer und ohne einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs aus. Natürlich wäre dafür eine mutige, vorausschauende Politik notwendig: Schließlich eifert China den Ideen der reichen Industrienationen kräftig nach. Wenn Deutschland also seinen wachsenden Hunger nach nachwachsenden Treibstoffen in Brasilien deckt, braucht sich Deutschland nicht zu wundern, dass China dies nachmacht. Für diesen Fall: Regenwald, ade! Ist sowieso kaum noch was übrig.

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Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.

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