Kommentar Agrarpolitik: Warnschuss für die Bauern
Nachdem die Agrarwende vertagt wurde, müssen sich die Bauern gute Gründe überlegen, für was sie bezahlt werden wollen. Dieser Diskussionsprozess ist auch eine Chance.
W ieder einmal ist die Agrarwende vertagt worden. Europas Bauern dürfen künftig noch mehr Milch produzieren, für die es keinen Markt gibt. In ihrem "Gesundheits-Check" der Agrarpolitik haben sich die Landwirtschaftsminister der EU darauf geeinigt, den Großbetrieben ihre Subventionen weitgehend zu erhalten und diese nur in Bruchteilen an ökologische Kriterien zu knüpfen. Nachhaltigkeit soll auf den Höfen auch künftig eine untergeordnete Rolle spielen. So weit, so schlecht.
Allerdings gibt es einen Lichtblick. Denn der harmlose Kompromiss könnte eine Wirkung entfalten, die nicht in seinen Ergebnissen liegt, sondern in seiner Entstehung. In den Debatten im Vorfeld sind nämlich - befeuert durch die desaströsen Milchpreise - die Konfliktlinien deutlicher als üblich offengelegt worden: Nicht alle Bauern haben die gleichen Interessen, und der Bauernverband spricht nicht für "die" Bauern - genauso wenig wie die Agrarministerin Ilse Aigner. Kleine Verbände, wie die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft oder der Bund Deutscher Milchviehhalter, haben für ihre Positionen eine breite Öffentlichkeit gefunden. Auf dem Land gibt es Streit, und der könnte den Boden fruchtbar machen für Neues. Die Bauern debattieren darüber, was sie von den Ansprüchen halten sollen, die Verbraucher, Steuerzahler und Politiker an sie stellen - und welche sie davon erfüllen können und wollen.
Dieser Diskussionsprozess ist eine Chance. Denn eine wirkliche Reform der Landwirtschaft ist nur mit den Bauern zu bewerkstelligen, nicht gegen sie. Der nächste große Termin für die EU-Agrarpolitik ist 2015, dann wird über ihre Gestaltung neu verhandelt. Die Zeit bis dahin gilt es zu nutzen. Für intensive gesellschaftliche Debatten darüber, welche Landwirtschaft wir in der EU wollen - und welche wir der Welt zumuten können.
Auch auf die Bauern wartet Kopfarbeit. Sie haben gestern einen Warnschuss bekommen: Subventionen zu verteidigen reicht nicht. In Zukunft werden sie gute Gründe nennen müssen, für welche Leistung sie vom Bürger und Verbraucher bezahlt werden wollen.
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