Kommentar Afghanistan: Planlos gegen die Taliban
Die Chancen auf einen Erfolg des Militäreinsatzes in Afghanistan sind wieder ein Stück geschrumpft. Mehr Soldaten werden den Krieg nicht gewinnbar machen.
Der Tod von zehn französischen Isaf-Soldaten durch die Hand der Taliban in Sarobi - nur 50 Kilometer außerhalb Kabuls - ist ein Schock für jeden, der Afghanistan kennt. Zwar galt die Sicherheitslage in Sarobi stets als fragil. Die Strecke von Kabul nach Dschalalabad aber, an der der Ort liegt, war bisher relativ sicher und wurde von Hilfsorganisationen noch regelmäßig mit dem Auto befahren. Sollte es den Taliban gelingen, auch diesen Teil des Landes - wie praktisch schon den gesamten Süden - zur No-go-Area für Entwicklungshelfer zu machen, wären die Chancen auf einen Erfolg des US-geführten Militäreinsatzes in Afghanistan wieder ein Stück geschrumpft.
Der in einem solchen Fall reflexartige Ruf nach mehr Soldaten auf der einen und nach einem Abbruch der Mission auf der anderen Seite hilft aber nicht weiter. Denn mehr Soldaten werden den Krieg nicht gewinnbar machen. Und mehr Entwicklungshelfer werden die Lage der Afghanen nicht verbessern, wenn sie wieder in die Hände derer geraten sollten, die den Helfern schon vor dem 11. September 2001 das Leben zur Hölle gemacht haben: die Taliban.
Entscheidend wäre, dass der Westen sich darauf besinnt, was zumindest immer offiziell die Begründung für diesen Einsatz war: die Wiederherstellung stabiler staatlicher Strukturen in Afghanistan. Denn nur wenn das Land nicht wieder zu einem "failed state" wird, geht von ihm keine Gefahr für seine Nachbarn und die gesamte Region aus. Dies lässt sich weder durch Verhandlungen mit den Taliban erzielen noch mit den Kriminellen, die der Westen überall mit der Regierung Karsai an die Macht gebracht hat.
Leider fehlt es derzeit in der Bundesregierung - aber auch in vielen anderen beteiligten Regierungen - am politischen Willen, sich ernsthaft mit dem Problem auseinanderzusetzen.
Wenn im Bundestag bald die Verlängerung des Bundeswehrmandats ansteht, wird es den meisten Abgeordneten wieder nur darum gehen, den Einsatz Bündnis-verträglich durchzuwinken. Angesichts der Größe und des Ernstes des Problems ist das aber verantwortungslos. Über Afghanistan nachzudenken muss heißen, noch einmal ganz von vorn anzufangen.
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