Kommentar Afghanistan: Operation „resolute Zurückhaltung“
Die Bundesregierung will in Afghanistan eigene Verluste vermeiden. Das ist legitim, ersetzt aber nicht eine politische Strategie.
I n Sachen Afghanistan tut die Bundesregierung wieder einmal so, als ob sie entschlusskräftig die anderen NATO-Alliierten vor sich her treibe. Während die Amerikaner erstmal den Verlauf der nächsten „Kampfsaison“ über den Sommer abwarten wollen, setzte sie gestern eine Hausnummer für die 2015 beginnende neue NATO-Operation „Resolute Unterstützung“.
600 bis 800 Soldaten auf zwei Jahre, eingesetzt vor allem in Kabul und im bisherigen ISAF-Regionalkommando Nord in Masar-e Scharif, bot sie für den ISAF-Nachfolgeeinsatz an. Von NATO-Aspirant Georgien abgesehen, hatten zuvor nur Großbritannien und Australien angedeutet, dass sie weiterhin Spezialkräfte entsenden würden, für eine wohl gesonderte, geheimere Spezialoperation.
Die deutsche Ankündigung ist vor allem innenpolitisch und stationierungstaktisch motiviert. Innenpolitisch, weil durch eine Entscheidung möglichst lange vor der kommenden Bundestagswahl vermieden werden soll, dass der Afghanistan-Einsatz zum Wahlkampfthema wird. Dabei hat es die Partei „Die Linke“ schon beim letzten Mal im Alleingang nicht geschafft, gegen die - wenn auch bröckelnde – Afghanistan-Allparteienkoalition eine Debatte vom Zaun zu brechen.
ist Ko-Direktor des unabhängigen Think Tanks „Afghanistan Analysts Network“ (Kabul/Berlin) und Autor der taz.
Unsicherheit über Fortschritte
Für Afghanistan ist die Positionierung in Kabul und Masar vor allem auf Verlustvermeidung zugeschnitten. Das ist natürlich legitim, allerdings soll das Kämpfen wieder einmal anderen überlassen werden. Die Lage könnte sich ja durchaus zuspitzen, wenn die afghanische Wahl im nächsten April wieder im Streit endet.
Schon Ende 2003, bei der ursprünglichen ISAF-Ausdehnung über Kabul hinaus, hatte die Deutschen als erste hier gerufen und sich für Kundus entschieden, im vermeintlich sicheren Norden und logistisch günstig gleich an der Landesgrenze gelegen. Trotzdem, so Minister de Maizière, gelte das Angebot vorbehaltlich der Sicherheitslage. So ganz sicher über die Fortschritte in Afghanistan ist mal sich wohl doch nicht.
Der eigentliche Skandal ist, dass die Bundesregierung wieder einmal den militärischen Teil des Afghanistan-Einsatzes in den Mittelpunkt stellte und der Außenminister außer Floskeln nichts beizutragen hatte: Nichts darüber, was Berlins politischer Ansatz für Afghanistan nach 2014 sein werde oder wie man die zur Zeit stillstehende Suche nach einer politischen Lösung wiederbeleben könnte. Passend dazu schaltete Phönix seine Live-Übertragung ab, bevor Westerwelle ein Wort sagen konnte. Auch viele Medien kapieren es immer noch nicht, dass es in Afghanistan um mehr als nur um deutsche Soldaten geht.
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