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Kommentar Ägyptens MilitärSpiel mit der Unsicherheit

Kommentar von Beate Seel

Der Gewaltausbruch eröffnet der Armee die Option, die Wahl abzusagen. Doch deren Annullierung könnte nach hinten losgehen. Der Tahrir-Platz würde noch voller werden.

N eun Tage vor Beginn der Parlamentswahlen in Ägypten spielen sich auf dem Tahrirplatz Szenen ab, die an den Januar dieses Jahres erinnern. Das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen eine kleinere Zeltstadt in der Hauptstadt Kairo wirft einmal mehr die Frage auf, welche Ziele der seit dem Sturz von Präsident Husni Mubarak herrschende Militärrat SCAF in Wirklichkeit verfolgt.

Sicher ist, dass der neue Gewaltausbruch die Unsicherheit verstärkt, die in weiten Teilen der Bevölkerung bereits herrscht. Von der will die Armee profitieren: Indem die Demonstranten als die eigentlichen Unruhestifter dargestellt werden, kann sich das Militär als der Garant für Ruhe und Ordnung präsentieren. Und eröffnet sich die Option, die Wahlen wegen angeblich drohender Gewalt abzusagen.

Das aber wäre ein Desaster für Ägypten - nicht nur für das internationale Ansehen des Landes, sondern vor allem innenpolitisch. Sicher gilt auch für den Staat am Nil, dass in Zeiten der Angst Bekanntes vielen als sichere Bank erscheinen mag. Das gilt für die Muslimbrüder wie für die liberale Wafd oder einzelne Kandidaten der Ex-Regierungspartei NDP. Möglicherweise werden also erst die nächsten Wahlen ein ausdifferenzierteres Bild der neuen politischen Landschaft abgeben, weil die Bevölkerung erst dann ihre ersten eigenen Erfahrungen mit einem frei gewählten Parlament gemacht haben wird.

Die Autorin

BEATE SEEL ist Nahost-Redakteurin im taz-Auslandsressort.

Es war gerade der Ruf nach dem Sturz des Militärrats und einer zivilen Regierung, der in den vergangenen Wochen immer wieder Menschen auf die Straße trieb. Von Linken bis zu Islamisten. Die Tatsache, dass sich am vergangenen Freitag deutlich mehr Demonstranten versammelt haben, hat sich der SCAF selbst zuzuschreiben: In so genannten "verfassungsübergreifenden Prinzipien" will sich die Armee Sonderrechte gegenüber den gewählten Institutionen sichern. Eine Absage der Wahlen würde die Menschen daher erst recht auf den Tahrirplatz treiben.

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