Kommentar Ägypten: Der ägyptische Patient
Tritt der ägyptische Präsident Husni Mubarak zurück, muss es innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen geben, steht in der Verfassung. Doch das ist zu früh für die Opposition.
W ohin mit Mubarak? Diese Frage stellt sich immer dringlicher. Denn Ägyptens ungeliebter Autokrat ist nur noch ein Präsident auf Abruf. Die Amtsgeschäfte, etwa die Gespräche mit der Opposition, führt längst sein jüngst ernannter Vize Omar Suleiman.
Doch noch ist offen, ob sich Ägypten allein dadurch schon auf dem Weg zu einer echten Demokratisierung befindet. Oder ob es nur zu einem oberflächlichen Wandel mit neuen Gesichtern an der Spitze des Staats kommt. Zwar hat Suleiman angekündigt, den Ausnahmezustand nach 30 Jahren aufzuheben, politische Gefangene freizulassen, mehr Pressefreiheit zuzulassen und die Verfassung zu reformieren.
Aber wie ernst meint er es? Und wie weit kann er gehen? Das hängt davon ab, ob der Druck der Straße auf das Regime anhält - und welchen Druck Washington auszuüben gewillt ist.
DANIEL BAX ist Redakteur im taz-Meinungsressort.
Ägyptens Militär, dem auch Omar Suleiman entstammt, ist wenig an einer Demokratisierung interessiert. Erstens bildet die Armee eine tragende Säule des politischen Systems und hat noch jeden ägyptischen Präsidenten seit 1952 gestellt. Zweitens sind seine Offiziere und Exgeneräle in vielen wichtigen Wirtschaftszweigen wie dem Tourismus oder der Baubranche aktiv und haben somit ein handfestes ökonomisches Interesse, am bisherigen System festzuhalten.
Es gibt aber noch andere Argumente, die gegen einen raschen Rücktritt Mubaraks sprechen. So schreibt die ägyptische Verfassung vor, dass 60 Tage nach einem Rücktritt des Präsidenten Neuwahlen abgehalten werden müssen. Für die meisten Oppositionsparteien und -gruppen ist das viel zu kurz, um gut vorbereitet ins Rennen zu gehen. Auch deshalb rücken sie von ihrer Forderung ab, Mubarak solle sein Amt sofort niederlegen.
Ein möglicher Ausweg aus diesem Dilemma wäre es, wenn Mubarak aus gesundheitlichen Gründen sein Amt ruhen lassen und zu einem Klinikaufenthalt ins Ausland reisen würde - zum Beispiel nach Heidelberg, wo der 82-Jährige schon mehrfach war. Die Bundesregierung sollte sich für diesen Königsweg stark machen. Das wäre angesichts der langen Freundschaft zum ägyptischen Diktator nur konsequent.
Und damit könnte Deutschland auch seinen Beitrag zum gewünschten "geordneten Übergang" in Ägypten leisten - so, wie es Moskau nach der deutschen Wiedervereinigung tat, als es Erich Honecker aufnahm, bevor Chile ihm Aufnahme gewährte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen