Kommentar Ackergifte und Bienensterben: Sind doch nur Insekten?
Jean-Claude Juncker findet Pestizid-Verbote unwichtig – die EU habe „Größeres“ zu tun. Dabei sind Artenschutz und der Erhalt von Biodervisität ein Megathema.
I st das geplante Verbot von Neonicotinoiden ein Beispiel für „Klein-Klein“? Für EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker wohl schon: Ein Spezialbereich der Landwirtschaftspolitik, der klärt, welche Ackergifte Bauern nutzen dürfen, um Bienen nicht zu gefährden. Nach Überzeugung Junckers sollten darüber die Mitgliedstaaten allein entscheiden. Die EU müsse für die „großen Dinge“ da sein, forderte er am Samstag, dem Festtag für die Römischen Verträge – was für eine Fehleinschätzung!
Juncker verbindet mit „kleinteiliger Politik“ genaue inhaltliche Vorstellungen. Er fasst darunter alles, was Industrie, Handel und Wachstum behindert. Insofern spricht der Kommissionspräsident auch auf der EU-Geburtstagsparty nicht als Visionär eines künftigen Europas, sondern als liberal-konservativer Pragmatiker.
Wie schade: Rein defensiv hebt er hervor, wozu die EU nicht da sei – statt ihre Leistungen und Möglichkeiten zu betonen. Und die liegen jenseits geo- oder friedenspolitischer Appelle in demokratischen und mit der Fähigkeit zur Selbstregulation ausgestatteten Verfahren zur Lösung vermeintlich kleiner Probleme. Das ist gerade in der Umwelt- und Landwirtschaftspolitik so, in der es kleine Probleme gar nicht gibt.
Der Bienenschutz ist ein gutes Beispiel: das Sterben der Insekten, also der Verlust von Biodiversität, ist ein Megathema. Genau wie der Schutz von Ressourcen und Klima, der sich in trockenen Vorschriften zu Verpackungen verbirgt. Auch das ist kein „Klein-Klein“. Die Liste ließe sich leicht fortsetzen.
Zugegeben, die Verfahren der EU sind kompliziert und langwierig. Aber sie sichern vielen Akteuren politische Teilhabe; sie sind transparent und sorgfältig. Das komplexe Gebilde EU hätte eine Kommission verdient, die an seinen Schwächen arbeitet und die Stärken offensiv vertritt und besser erklärt. „Große Linien“ sollte sie den Populisten überlassen, die am „Klein-Klein“ übrigens in der Regel scheitern.
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