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Kommentar Abzug der US-Truppen aus IrakDesaströse Bilanz im Irak

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Der Irakkrieg war ein schwerer Bruch des Völkerrechts. Dennoch klingen die Berichte vieler US-Medien jetzt wie Heldengesänge. Dabei gibt es zu Stolz keinen Anlass.

W ie Heldengesänge klingen die Berichte vieler US-Medien über den Abzug der letzten amerikanischen Kampfbrigade aus Irak. In einer am Donnerstag von fast allen US-Zeitungen gedruckten Reportage der Nachrichtenagentur AP vom irakisch-kuwaitischen Grenzübergang Cabari erklärt ein 25-jähriger Unteroffizier: "Dass ich damals im März 2003 mit der ersten Welle kam und jetzt mit den letzten Kampfeinheiten wieder gehe, darauf werde ich mein Leben lang stolz sein."

Doch zu Stolz gibt es nicht den geringsten Anlass. Der anglo-amerikanische Irakkrieg und die nachfolgende Besatzung des Landes waren ein schwerer Bruch des Völkerrechts. Sämtliche Vorabbegründungen der Regierungen Bush und Blair für diesen Krieg waren von Anfang an gelogen. Als nachträglicher Rechtfertigungsversuch blieb der Sturz von Saddam Hussein, eines Diktators, den der Westen und die Sowjetunion ab Ende der 70er Jahre überhaupt erst stark und für den Krieg gegen das islamische Revolutionsregime im Nachbarland Iran mit konventionellen und Massenvernichtungswaffen aufgerüstet hatten.

Doch zu welchem Preis erfolgte der Sturz Saddams? In unmittelbarer Folge von Krieg und anderen Gewalttaten starben seit dem März 2003 über 100.000 Zivilisten. Rechnet man die Folgen der Zerstörung lebenswichtiger Infrastruktur wie etwa der Wasserversorgung hinzu, kamen knapp 800.000 irakische Zivilisten ums Leben. Die Stadt Falludscha und andere von den US-Streitkräften massiv beschossene "Widerstandsnester" wurden auf Jahrzehnte mit Uranmunition verseucht. Die Krebsraten in Falludscha sind bereits dramatisch angestiegen.

Bild: kristin flory

Andreas Zumach ist UNO-Korrespondent der taz mit Sitz in Genf. Zuletzt veröffentlichte er: "Die kommenden Kriege - Präventivkrieg als Dauerzustand?" bei Kiepenheuer und Witsch.

Im Irak ließen 4.419 US-Soldaten ihr Leben, zehntausende kehrten verwundet oder mit schweren Traumata nach Hause zurück. Im Budget des Pentagons wurden seit 2003 über 740 Milliarden US-Dollar für den Krieg und die Besatzung im Irak bereitgestellt. Experten wie Nobelpreisträger Joseph Stieglitz beziffern die tatsächlichen Kosten für die US-Volkswirtschaft auf bis zu drei Billionen Dollar. Doch trotz dieser riesigen Kosten und Opfer ist der Irak weder nachhaltig befriedet noch politisch stabilisiert.

Desaströser könnte die Bilanz eines Kriegs kaum ausfallen. Es muss einem angst und bange werden für die Menschen in Afghanistan, das derzeit mit denselben Methoden befriedet und stabilisiert werden soll.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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12 Kommentare

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  • V
    vic

    @ Tschabaladores

    Rot/Grün?

    Es gibt nur ein Rot, und die SPD ist das nicht.

     

    Außerdem, was die SPD mit den Geünen begonnen hat, darf die CDU mit den Gelben trotzdem beenden.

    Dem Atomausstieg fühlen sie sich ja auch nicht verpflichtet.

  • TD
    Tyler Durden

    @ Atan

    Ihr Kommentar ist erstens albern, da die Regime zB in Burma oder Nord Korea unvergleichlich menschenverachtender sind.

     

    Und strotzt zweitens von Unkenntnis, da die Amis selber diese Konstellation im Nahen Osten herbeigefährt haben und diesen Saddam, solange er die Drecksarbeit für die Amis verrichtete, mit Geld und Waffen (zB gegen den Iran) unterstützt haben. Erst als sich Saddam diesem verweigerte und begann seine eigenen Interessen (gegen Kuweit) wahrnahm, hat sich das Blatt gewendet.

    Und selbst dann wären die Amis niemals gegen ihn vorgegangen, wenn es dabei nicht Ölvorräte gegangen wäre, wie man an den bereits genannten Beispielen Nordkorea und Burma sehr einfach erkennen könnte, wenn man nur wollte...

  • A
    Atan

    Nein, ein Erfolg war der Irakkrieg sicher nicht. Man sollte aber nicht vergessen, dass Saddam Hussein einer der furchtbarsten Schlächter war, desse Angriff allein auf die Kurden zwischen 100.000 und 180.000 Opfer forderte und im Krieg gegen den Iran 1 Million Tote, weiter unzählige Ermordete und Verstümmelte nicht zu vergessen.

    Zudem besitzen die Kurden zum ersten Mal in der Geschichte eine Art selbstregiertes Gebiet.

    Dies stellt aber keine Rechtfertigung des US-Angriffes dar, weil das Hussein sich über lange Zeit auf westliche Unterstützung verlassen konnte.

  • D
    deduk

    #Es muss einem angst und bange werden für die Menschen #in Afghanistan, das derzeit mit denselben Methoden #befriedet und stabilisiert werden soll.

     

    Eins vorneweg, ich kann nicht in die Zukunft sehen.

    Nur, diese gigantischen Summen:

    "..tatsächlichen Kosten für die US-Volkswirtschaft auf bis zu drei Billionen Dollar."

     

    Was könnten die Menschen, ziviles, damit alles

    anfangen?

    Außer Kriege, Reiche subventionieren, Banken- und Staatsbailouts ?

  • WW
    william wolfo

    Vielen Dank für diesen Bericht, der die menschliche Interpretion über die allseits vorfindbare Propaganda stellt. Gott vergelts!

  • T
    Tschabaladores

    Unsere Rot-Grünen Kriegshelden bitte nicht vergessen: Erst Jugoslawien, dann Afghanistan. Früher überfiel man andere Völker, um ihnen unsere Zivilisation und christlichen Glauben zu bringen. Heute nennt man das: Freiheit und Menschenrechte werden am Hindukusch verteidigt. 1945 hieß es: Niemals soll von deutschem Boden wieder Krieg ausgehen. Krieg ist das schlimmste Verbrechen, was man Menschen antun kann. Von CDU bis SPD habe ich nach der Wiedervereinigung und dem machtpolitischen Erstarken Deutschlands auf der Weltbühne nichts anderes erwartet... aber die Grünen sind wesentlich aus der Friedensbewegung hervorgegangen und was ist aus ihnen geworden? Pazifismus ohne grundsätzliche Analyse und Kritik der weltpolitischen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse geht eben nicht. Mit gefälschten und manipulierten Informationen wird dann Politik gemacht. Und da wird plötzlich der Angriffskrieg gegen Jugoslawien zum antifaschistischen Kampf gegen den neuen 'Hitler' von Belgrad (Milosevic) umgedeutet oder in Afghanistan es zur feministischen Pflicht, die Frauen vom Joch der Taliban zu befreien. Das ist eine Kolonialherrenmoral, deren Weg mit Leichen gepflastert ist und welche die wahren Hintergründe verschleiern soll. Um dem us- und westeuropäischen Kapital den Weg freizuschießen (Zugang zu Märkten und Rohstoffen, geostrategische Kontrolle von Schlüsselregionen Balkan, Zentralasien) werden die dreistesten Lügen erdacht und selbst der schmutzigste Krieg noch als humanitäre Aktion dargestellt - einfach nur pervers!

  • V
    vic

    Es macht mich tief betroffen, dass ein humanitäres Desaster von diesem Ausmaß als Erfolg gewertet werden könnte.

    Zudem ist es ja nicht so, dass die USA nun "fertig" wären mit dem Irak. Es sind noch genug bewaffnete Weltverbesserer im Land.

    Wie Sie richtig sagen geht das Schlachten in Afghanistan weiter - und derzeit wird das überschwemmte Pakistan bereits wieder mit Bombardements beglückt.

    Die USA sind der einzig wahre Schurkenstaat, und die BRD der Komplize.

  • KS
    Klaus Schlichtmann

    OK! Aber was haben wir getan, solche Alleingänge von "Koalitionen der Willigen" zu verhindern? Als Anfang der neunziger Jahre von allen Seiten der Ruf nach einer effektiven UNO ertönte, die solche Alleingänge hätte verhindern können, steckten die Deutschen den Kopf in den Sand und entschieden sich gegen das kollektive Sicherheitssystem in der UNO-Charta für ein auf Europa beschränktes Konzept. Beschränkt, in der Tat, und eine Entscheidung, die fatale Auswirkungen gehabt hat. Dabei sollte die Bundesrepublik nach dem Grundgesetz eine Vorreiterrolle übernehmen und die in der Verfassung ausdrücklich als Staatsziel genannte kollektive Sicherheit und die damit einhergehende allgemeine und umfassende Abrüstung auf den Weg bringen. Wenn Deutschland dem Frieden der Welt dienen will, muss es das in der Verfassung bestimmte Friedensgebot in die Tat umsetzen. Sie macht sich sonst der kriminellen Inkaufnahme schuldig, d.h. sie selbst hat die Zustände im Irak und anderswo ursächlich mitzuverantworten. Nur eine starke und einige Friedensbewegung kann eine Änderung dieser Politik bewirken. Die Amerikaner hätten sicher nichts dagegen, von ihrer vermeintlichen Verantwortung und den damit verbundenen horrenden Kosten, die sie sich selbst aufgebürdet haben, befreit zu werden. Dann aber müsste wie gesagt der UNO die Hauptverantwortung übertragen werden. Bislang blockiert die Bundesrepublik diese Entwicklung, und das leider nicht erst seit Beginn der neunziger Jahre.

  • MF
    Martin Fuchs

    [ Bitte setzen Sie hier einen Kommentar ein, der sich auch Ausbeutung, Politischer Ökonomie und Mehrwert reimt ]

  • TD
    Tyler Durden

    "Wie Heldengesänge klingen die Berichte vieler US-Medien über den Abzug der letzten amerikanischen Kampfbrigade aus Irak."

     

    Mir scheint der Autor war wohl noch nie in Amerika und kennt auch keine Amerikaner, sonst hätte ihn das wohl kaum überrascht...

  • H
    hartmuk

    Man spricht immer nur über Opfer unter den amerikanischen Soldaten und unter der Zivilbevölkerung. Was ist mit den irakischen Soldaten? Wenn die USA, UK und ihre Verbündeten den Irak überfallen haben, hatten die Soldaten doch jedes recht, ihr Land zu verteidigen. Warum erwähnen Sie sie noch nicht einmal?

    Doppelmoral? Armer GI - blöder Araber? Jetzt auch in taz?

  • M
    MoritzH

    Eine Randnotiz:

     

    Die USA selbst haben Saddam Hussein nicht mit Waffen versorgt. Sie haben allerdings nichtmilitärische Unterstützung geleistet.