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Kommentar Abstimmung in EcuadorVon Ecuador lernen

Kommentar von Gerhard Dilger

Eine Zweidrittelmehrheit votierte in Ecuador für eine linke Verfassung. Was hier geschehen ist, könnte sich in Bolivien bald wiederholen.

D ie Bevölkerung darf über eine neue Verfassung abstimmen - und es nimmt sie mit satter Zweidrittelmehrheit an. Was jetzt in Ecuador geschehen ist, könnte sich in Bolivien bald wiederholen. In der Europäischen Union mutet das geradezu utopisch an, dabei liegt die Erklärung auf der Hand: In dem Andenland will Präsident Rafael Correa das "Ende der langen neoliberalen Nacht" einläuten, die EU-Regierungen wollen sie verlängern. Während Ecuador zum "Friedensterritorium" ohne ausländische Stützpunkte wird, treibt Europa die Militarisierung seiner Außenpolitik voran. Außerdem hat Ecuadors Linke keine Angst, ihren postkapitalistischen Gesellschaftsentwurf dem Souverän zur Abstimmung vorzulegen. Wann ist es in Europa so weit?

Bild: gerhard dilger

Gerhard Dilger ist Südamerika-Korrespondent der taz. Von 1992 bis 1997 lebte er in Bogotá, anschließend berichtete er für die kolumbianische Tageszeitung El Tiempo aus Deutschland. Seit 1999 wohnt und arbeitet er in Brasilien.

Nirgendwo sind neoliberale Theorie und Praxis unpopulärer als in Lateinamerika, wo auch nach Jahren stabilen Wirtschaftswachstums über 200 Millionen Menschen in bitterer Armut leben. Doch nun beginnt der lange Widerstand von unten Früchte zu tragen. Am sichtbarsten ist dies in jenen Ländern, deren Staatschefs einen Systemwandel beherzt in Angriff nehmen und dabei den Konflikt mit den alteingesessen Oligarchien nicht scheuen - in Venezuela, Bolivien und Ecuador.

Die Idee einer "Neugründung" ihrer Länder durch eine neue Verfassung hatten die indigenen Bewegungen Boliviens und Ecuadors bereits in den Neunzigerjahren lanciert. Als erster griff sie Hugo Chávez 1999 in Venezuela auf, doch das innovativste Grundgesetz hat nun Ecuador: Als "vierte Gewalt" sollen Bürgerräte für die Kontrolle der Staatsorgane sorgen; durch das Verbot des "Outsourcings" werden Arbeiterrechte gestärkt; die Natur wird zum Rechtssubjekt; und das indigene Konzept vom "guten Leben" (sumak kawsay) weist über die Profitmaximierung als oberste Richtschnur des Wirtschaftens hinaus.

All das ist verfassungsrechtliches Neuland und wird nicht leicht umzusetzen sein. Doch schon heute steht fest: Europa hätte einiges von Ecuador zu lernen - angefangen bei Transparenz und demokratischer Mitsprache.

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2 Kommentare

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  • MV
    Maria v. Boisse

    Abgesehen davon, dass Illusionen nicht irreal sind, geht es bei der Aktion nicht um die Verbreitung des Glaubens, "dass durch eine Verfassungsänderung alles besser werde". Dann wäre Artikel 1 bindend und die Aktion müsste nicht stattfinden. Die Aktion soll bzw. kann vielmehr vermitteln, dass eine Verfassung und ihre Anwendung und Umsetzung keine Frage des "guten Willens" einiger Politiker ist, sondern eine Frage der Menschen der Gesellschaft, welche zu dieser Verfassung stehen.

  • S
    stefanolix

    In Ihrem Kommentar vergessen Sie die weitreichenden Machtbefugnisse, die der Präsident für sich selbst gesichert hat. Das ist niemals ein gutes Zeichen für die Demokratie. Auch wenn das Volk jetzt nach einer populistischen Kampagne der neuen Verfassung zugestimmt hat, wird vielleicht bald ein böses Erwachen folgen -- es wäre ja nicht das erste Mal. Es ist zu befürchten, dass Freiheitsrechte eingeschränkt werden und dass Gegner der linkspopulistischen Politik verfolgt oder enteignet werden.

     

    Ich habe gestern einen Aufruf gefunden, der eine ähnliche

    Das Grundgesetz soll um ein Recht auf »Teilhabe am allgemeinen gesellschaftlich-sozialen Leben« ergänzt werden. Kein Staatsbürger dürfe »durch persönliche oder allgemeine wirtschaftliche Verhältnisse individuell von dieser Teilhabe ausgeschlossen werden.« Auch dabei wird die Illusion vermittelt, dass durch eine Verfassungsänderung alles besser werde.

     

    Beim ersten Lesen hielt ich es [url=""http://www.bissige-liberale.com/2008/09/30/sumak-kawsay/"" target="_blank">für eine Satire. Es kann doch nicht ernst gemeint sein?