Kommentar AKW-Laufzeitverlängerung: Das Schlimmste annehmen
Diese Bundesregierung will die AKW möglichst lange laufen lassen, auch wenn es klimapolitisch oder bei den Strompreisen nichts nützt oder sogar schadet.
W as soll die Öffentlichkeit mit dem geheimnisumrankten, nun endlich präsentierten Gutachten der Bundesregierung zu den Laufzeiten der Atomkraftwerke anfangen? Inhaltlich gibt es allerhand Vernebelung mit verschiedenen Szenarien, denen schwer nachvollziehbare Annahmen zu Grunde liegen. Auch kann ein Jahr bei einem Atomreaktor auch 400 oder 500 Tage haben, je nach tatsächlich gelieferter Strommenge. All das lenkt aber nur vom eigentlich Ziel der Übung ab: Diese Bundesregierung will die AKW möglichst lange laufen lassen, auch wenn es klimapolitisch oder bei den Strompreisen nichts nützt oder sogar schadet.
Reiner Metzger ist stellvertretender Chefredakteur der taz.
Umweltminister Norbert Röttgen spielt dabei ein Pingpongspiel mit Argumenten, sagt zum Schluss aber selbst, dass ihn vom Wirtschaftsminister Rainer Brüderele nur "Akzente, aber keine grundlegenden Unterschiede" trennen. Und sein Kollege Brüderle will 12 bis 20 Laufzeitenjahre mehr. Das bedeutet im Klartext, ein Teil der deutschen AKWs wird noch im Jahr 2040 laufen.
Hier zeigt sich: Immer das Schlimmste annehmen in der Atomfrage bei Union und FDP ist die richtige Haltung. Von Anfang an hatte die Anti-Atom-Bewegung diesen Fortgang befürchtet. Denn die Regierung braucht das Geld für ihren Haushalt. Und sie befriedet mit den langen Laufzeiten die mächtigen und spendablen Energiekonzerne ebenso wie deren Fürsprecher in den eigenen Reihen.
Dabei gibt es ein kleines Problem: Nach Ansicht vieler Experten ist die Laufzeitverlängerung gegen die bestehende Mehrheit im Bundesrat nicht verfassungskonform. Außerdem gibt es immer noch keine nachvollziehbare Einschätzung, was technisch nachzurüsten wäre für eine solch dramatisch längere Laufzeit. Von der Terrorsicherheit ganz zu schweigen. Hier probiert die Bundesregierung offensichtlich aus, was das Verfassungsgericht zulässt. Bequem schiebt sie die politisch schwierige Entscheidung nach Karlsruhe ab, wie so oft in letzter Zeit. Hinterher zeigen dann all die politischen Nebelwerfer im Kabinett entschuldigend auf die Bundesrichter.
Es liegt nun wie immer bei diesem Politikthema am Wähler und an der Anti-Atom-Bewegung, diese Taktik zu vereiteln. Bisher ist das oft gelungen. Der kommende Castortransport mit Strahlenmüll in diesem Herbst wird gleich ein gutes Stimmungsbarometer für die Regierung abgeben.
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