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Kommentar A400MDie umzingelte Regierung

Kommentar von Ottfried Nassauer

Der Airbus-Chef setzt die Pistole auf die Brust der Auftragsländer: Entweder mehr Geld oder kein Transportflugzeug. Da Deutschland keine Alternativen anerkennt, muss es zahlen.

G elernt ist gelernt. Das demonstriert Airbus-Chef Thomas Enders dieser Tage. Enders ist gelernter Fallschirmjäger, Major der Reserve. Zu den Spezialitäten dieser Truppengattung gehört der Einsatz hinter den feindlichen Linien. Der Feind ist in diesem Fall die Bundesregierung - jedenfalls bei der Frage: Wer trägt die Mehrkosten für das Transportflugzeug A 400M? Im Rücken der Regierung gelandet, droht Enders, das Vorhaben einzustellen - wenn seine Kunden nicht viele Milliarden mehr bezahlen als vertraglich vereinbart.

Steht der Feind erst einmal im Rücken, droht eine vernichtende Niederlage durch Umzingelung. Das ist die Gefahr, die der Bundesregierung droht. Ihre Position hat weiche Flanken. Auf der einen steht Partner Frankreich. Präsident Sarkozy befürwortet den A400M, koste der, was er wolle. Frankreich ist schließlich Airbus-Miteigentümer. Auf der anderen Flanke steht die Bundeswehr. Im Blick auf Auslandseinsätze von Nato und EU lautet deren Credo: "Wir müssen mitmachen, um mitentscheiden zu können." Mitmachen aber kann nur, wer Truppen verlegen und deren Nachschub sichern kann. Ohne Transportflugzeuge geht das schwerlich.

Potenzielle Rückzugslinien wurden früh zugestellt. Flugzeuge vom Typ "Herkules" in den USA kaufen? Zu klein und zu schwach, zudem drohe strategische Abhängigkeit. Auf die wiederbelebte russisch-ukrainische AN 70 zurückgreifen, die schon bei der Bestellung des A400M vor Jahren als wirtschaftlichere und leistungsfähigere Alternative galt? Igitt, schon wieder eine ungewollte Abhängigkeit - und wer weiß, wie es in dreißig Jahren mit der Ersatzteilversorgung aussieht.

Wer so argumentiert, will gar keine Alternativen. Und hat demnach auch keine. Er ist erpressbar. Was also bleibt? Industriepolitik mit Steuergeldern. Der A400M kommt. Vielleicht Jahre später. Wohl leistungsschwächer als versprochen. Und sicher viel, viel teurer als heute diskutiert.

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5 Kommentare

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  • A
    Amos

    Sind das eigentlich nur alles Flaschen, die hier in

    unserem Land so tun, als könnten sie regieren?

    Eine Nation ist erpressbar? Wo gibt es denn sowas?

  • G
    gregor

    Man stelle sich einfach nur vor - Deutschland kann kein Flugzeug mehr bauen. Das ist dann aber so, wenn man keine Alternative sieht.

  • GH
    G. H. Pohl

    Beiderseitiges Verschulden ist sicherlich vorhanden. Nachdem u.a. die Russisch/Ukrainische AN 70 nicht als Option akzeptiert wurde, legte man sich auf Airbus fest, die Kundenländer wollten keine Abhängigkeiten von Dritten eingehen- und zusätzlich die europäische Luftfahrtindustrie stärken. Nachvollziehbar.

    Unverantwortlich:

    Die Auftraggeber waren offensichtlich nicht in der Lage, eine präzise Leistungs- und Konfigurationsbeschreibung vorzulegen, auf deren Basis eine verbindliche Kalkulation erfolgen konnte. Beispiel: Abmessungen des Laderaums und max. Abfluggewicht.

    Die diesbezüglichen, ursprünglichen Zielvorstellungen wurden und werden verfehlt.

    Besondere Wünsche – wie z. B. Eigenentwicklung der Triebwerke – bergen selbstverständlich Risiken, die von beiden Seiten betrachtet und entsprechend behandelt werden müssen.

    Offensichtlich gab es essentielle Fehlleistungen bei Herstellern und Kunden.

    Nun kommt erschwerend hinzu, daß das Projekt inzwischen weit genug fortgeschritten ist, daß sich Herr Enders nach dem endlich erfolgten Erstflug in der Lage sieht, den Kunden erhebliche Mehrkosten aufzubürden.

    So geht’s halt, wenn unfähige Kunden sich mit Monopolisten einlassen, es ist wohl so gewollt – der Steuerzahler ist wieder einmal der Dumme ( insbesondere der deutsche, weil Deutschland mit 180 Stck. der größte Besteller ist)…

  • V
    vic

    Deutschland muss zahlen?

    Auch ich bin Deutschland. Und ich will verdammt nochmal nicht für einen Militärtransporter bezahlen.

    Für jeden Scheiß ist Geld da, nur für die richtigen Projekte nicht.

  • K
    Kinch

    In den Debatten um die Akquisition bzw. Entwicklung von Militärgerät ist ein sich ständig wiederholdendes Argument erkennbar: "Warum wollen wir selbst entwickeln was es bereits zu kaufen gibt, obwohl wir diese Entwicklungen offensichtlich nicht im Griff haben?" Zitiert werden hier die russische Antonow und die amerikanische Hercules, aber das Phänomen wiederholt sich überall. Übrigens nicht nur in Europa. In der USA gibt es exakt die gleichen Diskussionen, da dort die Militärprojekte genauso aus dem Kosten- und Zeitrahmen laufen. Und auch in Russland. Und Australien. Und Kanada. Und so weiter. Wenn wir Militärgerät aus USA oder Russland kaufen, ist das nur die nachgelagerte Finanzierung deren Disaster.

    Eine schöne Analyse dieser Fehlschläge brachte im November 2008 die (amerikanische) IEEE Spectrum:

    http://spectrum.ieee.org/aerospace/military/whats-wrong-with-weapons-acquisitions