Kommentar 5. Weltwasserkonferenz: Wahnsinn im Loop
Dass Staudämme die Wasserknappheit noch beschleunigen, wird auf der 5. Weltwasserkonferenz als Problem nicht zugelassen. Ähnlich ignorant verhielt man sich früher beim Atommüll.
Was wir bei der Produktion von Energie und Lebensmitteln bereits seit Jahrzehnten erleben, wird nun verstärkt auch bei der Versorgung mit Wasser auf uns zukommen: großtechnische Lösungen statt intelligenter, kleinteiliger und naturnaher Alternativen. So wie weltweit - Klimadebatte hin oder her - immer noch der Ausbau von Kohlekraftwerken zur Stromerzeugung dominiert und sogar die Atomenergie vor einer Renaissance steht, soll jetzt der absehbaren weltweiten Krise ums Trinkwasser durch den Bau von immer mehr Megastaudämmen begegnet werden.
Auf der gestern zu Ende gegangenen 5. Weltwasserkonferenz in Istanbul durfte man mit anhören, wie sich die alten Argumentationsmuster nun auch an der Wasserfront wieder breitmachen. Staudämme, so die Argumentation der Staudamm-Beton-Lobby, können Trinkwasser speichern, Elektrizität erzeugen und vor allem die nationale Souveränität über das vermeintliche eigene Wasser herstellen. Angesichts des knapper werdenden Trinkwasser aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung und der zunehmenden Erwärmung der Erde sei dies die einzige Lösung. Dass Staudämme fruchtbares Land fluten und hunderttausende Bauern weltweit vertreiben, wird als Kollateralschaden hingenommen. Dass die geplanten Staudämme nicht nur lokale Umweltvernichter sind, sondern im schlimmsten Fall den ökologischen Kreislauf des Wassers global beinträchtigen können und die Wasserknappheit noch beschleunigen werden, wird als Problem ebenfalls nicht zugelassen. Ähnlich ignorant verhielt man sich in den 60ern in Fragen des Atommülls.
Dabei wäre es überfällig, die enorme Wasserverschwendung in der Landwirtschaft mit intelligenten kleineren Lösungsmodellen zu bekämpfen, etwa einer besseren Wasseraufbereitung. Stattdessen aber setzt man auf Klimakiller en masse und behandelt die Kritiker der Staudammlösung auch auf dem Istanbuler Gipfel als unerwünschte Gäste. Die Allianz zwischen nationalen Regierungen und internationalen Wassermultis wollte ungestört bleiben. JÜRGEN GOTTSCHLICH
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