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Kommentar 1.-Mai-ProtesteEin Ritual, das man nicht vermisst

Daniél Kretschmar
Kommentar von Daniél Kretschmar

Die Mai-Demonstrationen in diesem Jahr lebten von ihren Inhalten, nicht pseudorevolutionärer Pose. Das kann man durchaus so machen.

Weniger Krawall, mehr klare verbale politische Kommunikation: Die Revolutionäre 1.-Mai-Demo Foto: dpa

Z ehntausende nahmen in diesem Jahr an den offiziellen Gewerkschaftsdemos zum 1. Mai teil. Nicht zuletzt die laufenden Tarifkonflikte in den verschiedensten Branchen und ein generelles Unbehagen mit der Reichtumsverteilung in unserer Gesellschaft dürften zur Mobilisierung beigetragen haben. Aber auch am radikaleren Ende des Spektrums hat sich einiges getan. Dabei sind sich GewerkschafterInnen und Autonome nicht nur in ihren objektivierbaren Interessen, sondern auch in der Pose so nahe gekommen, wie schon lange nicht mehr.

Mit einem Massaker gegen Streikende in Chicago und einem Justizverbrechen, dem die Organisatoren des Streiks zum Opfer fielen, wurde der 1. Mai im ausgehenden 19. Jahrhundert zum Kampftag der Arbeiterklasse. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen, die seitdem immer wieder diesen symbolischen Tag prägten, können natürlich, zumindest in Deutschland, als sinnentleertes Ritual gelesen werden. Ein Ritual zudem, dass man zum Beispiel im befriedeten Berlin-Kreuzberg nicht vermisst.

Dabei wird aber gerne übersehen, dass nicht die sprichwörtliche brennende Mülltonne dem Tag seine Bedeutung zu nehmen drohte, sondern die ideologische Glättung aller Kanten und Widersprüche in der noch immer kapitalistischen Gesellschaft. Ziemlich alt ist der Versuch, nicht nur den Begriff der Klasse aus dem öffentlichen Bewusstsein zu verbannen. Mit ihm schwand auch die Wahrnehmung gänzlich verschiedener Interessen jener, die Eigentum an Produktionsmitteln, Grund und Boden haben und denen, die ihre Arbeitskraft noch immer verkaufen müssen, um wieder anderen Mieten zu bezahlen. Der 1. Mai ist nicht der schlechteste Tag, um an diesen grundsätzlichen Widerspruch zu erinnern.

Diese gegensätzlichen Interessen zu thematisieren, ob nun in Arbeitskämpfen um Tarifbindungen oder Auseinandersetzungen mit Vermietern, hat viel mehr den Geruch des Radikalen, als der Mythos des steinewerfenden Krawalltouristen in Kreuzberg. So ist es gut, dass es auch mal ohne geht.

Nicht weniger begrüßenswert ist, dass an diesem 1. Mai mit einer Demonstration im Grunewald allein durch den räumlichen Wechsel der Blick auf das Wesentliche gerichtet wurde. Klar, „Wo eine Villa ist, ist auch ein Weg“ ist als Parole verkürzt und plakativ. Wozu aber sind Demonstrationen sonst da, wenn nicht, um Plakate hochzuhalten?

Die taz am 1. Mai

Einst war es die taz, die auf taz.de anlässlich des 1. Mai den Liveticker erfand, auf dem wir permanent berichten, was geschieht: In Reportageschnipseln, nachrichtlich und über Skurriles am Rande des Geschehens. Auch in diesem Jahr liefern Reporter*innen Texte, Analysen und Aktuelles für unseren Liveticker.

In diesem Jahr haben wir unser Angebot um ein Versuchsprojekt ergänzt, das es so noch nie gab: Mit der ganztägigen taz-#Maischalte, der größten Livestream-Konferenz der Republik. Was das soll, erklärt Martin Kaul im Hausblog.

Es ist gut, dass am Vorabend des 1. Mai eine weitere Demonstration im Wedding die Verbindung zwischen Aufwertungsinteressen im Stadtumbau und repressiver Ordnungspolitik aufgezeigt wurde.

Gut auch, dass sich die Revolutionäre 1.-Mai-Demo schließlich nicht schlicht und selbstverliebt mit Steinen im Gepäck musealisiert hat, sondern eine klare verbale politische Kommunikation wenigstens versucht – antikapitalistisch und mit dem positiven Bezug auf den Überlebenskampf der kurdischen Bevölkerung in der Zange des syrischen Krieges auch noch internationalistisch.

Gewiss, Radikalität hat sich schon immer, ob freiwillig oder erzwungen, in physischer Konfrontation mit vermeintlicher oder tatsächlicher Macht ausgedrückt, aber eben nicht nur. Der Versuch, die Tradition der politischen Kommunikation unter freiem Himmel zu nutzen, ohne gleich demonstrativ die unmittelbare Auseinandersetzung zu suchen, kann deshalb für diesen 1. Mai in Berlin als gelungen angesehen werden.

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Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
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9 Kommentare

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  • Genau wie beim Demo in Wedding

    http://organizeberlin.blogsport.eu/

     

    stellen die teilnehmenden Initiativen und Organisationen wie

     

    Internationale kommunistische Strömung

    http://world.internationalism.org/de

     

    Kommunistische Jugend

    http://komaufbau.org/

     

    Interventionistische Linke

    https://interventionistische-linke.org/

    die Agenda 2010 stark in Kritik. Und es gibt viel Solidarität unter anderem mit Flüchtlingen. Also die Positionen ala Frau Kipping von der Linkspartei (die auch präsent war). Viele Teilnehmer beim Demo wollen ein Zeichen setzen, Menschen helfen, eine neue Stufe erreichen und sich vereinigen (Netzwerkbildung).

     

    Alle Macht und Politik geht vom Volke aus!

  • Bei dem Demo ging es nicht nur um Menschenrechte und Sozialstaat. Bei der Kampagne "Sag nein zu Milch" ging es einerseits um Tierrechte, andererseits um die damit in Verbindung stehenden Gesundheit von Menschen.

     

    //http://www.sagneinzumilch.de/

  • Ach Jung. Njorp. Bodycrafted only!;)

    &

    Sone Vorlage - mach ich doch noch im Halbschlaf mit der Mütze rein - kerr!

     

    & btw nochens ~>

    Schaum vorm Mund - is liggers Antidot.

    No. Fürs Pösie-Heftchen. Gellewelle.

     

    unterm-------->

    Antwortmodus all wedder in Mors!

    &

    Mailtütenfrisch - tszis0/1 herchehört ~>

    "Moinmoin.

     

    Ja, mit zweimal Klicken geht`s zum Ziel.

     

    Das Problem ist, dass bei taz.de die schließende Klammer nicht richtig in die Webseite eingetragen wird.

    Müsste mal die Programmierabteilung ran. "

     

    Ja - "Hier könnse nich stehtbleiben" by

    Jürgen Becker ~>Däh!~> "Ja. Da müßte mal einer bei!" Na Si'cher dat.

    Da mähtste nix. Normal.

     

    kurz - 'Kölches Möönen - Baliner Art"

    Si'cher - Kunst - geht anders!

    Jau - Kommt ja auch von - Können!

    Auch wieder wahr!;))

     

    Liggers - "Wat höbbt wi lacht!;))"

  • Die Revolution ist tot und schon verwest.

    Makabre linke Folklore, Party und (zum Glück nur) ein bisschen Randale mehr ist das nicht mehr. Die politische Relevanz ist Null, man feiert sich selbst. Das Verherrlichen der völlig undemokratischen PKK ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten.

    Inhalte interessieren niemand wirklich und werden ausserhalb der Feier- und Randalegruppe nicht wahrgenommen und waren eh reine Platitüden aus grauer Vorzeit.

    • @gerhard S.:

      Wow, um die Tirade könnte selbst Wilfried Schmickler Sie beneiden! Respekt!

      • @Flipper:

        Danke für das Lob!

  • Wat issen nu wieder ditte - tazis!((

    Au Backe. Mit *76 beie taz den Gönnerhaften - wa!

     

    Kommentar 1.-Mai-Proteste

    Ein Ritual, das man nicht vermisst

    Die Mai-Demonstrationen in diesem Jahr lebten von ihren Inhalten, nicht pseudorevolutionärer Pose.

    & Däh! ~>

    Das kann man durchaus so machen.

     

    Kerle Kerle! Wie ekelig-Verbiedermeiert - Herablassend!

    Ist das denn - kerr! Gaarp!

     

    (saß noch grad davor in Kreuzberg.

    Nähe Oranienplatz - "Da hamse dem

    Günni WaffenGraSS - noch vor den Latz geknallt - 'Hau bloß ab - du alter

    Revisionist!" - Klare Antifa-Ansage!";)

     

    kurz - Immer noch am Sackhüpfen - wa!;)( - alter Hedo v.D.

    Nu. Mal raus aus dei'm ollen gammelig Gardoffelsogg! Newahr.

    • @Lowandorder:

      wow - wo kriegt man das Zeug, dass sie da beim Schreiben geraucht haben?

  • 8G
    81236 (Profil gelöscht)

    Im Grunde ist der 1. Mai seit 16 jahren steinfrei, aber trotzdem wird immer noch so kommentiert, als seien wir in den 90ern. Das die Polizei es nicht mehr als wichtig erachet eine radikale Demo mit Tränengas und Knüppeleinsatz zu traktieren, hat auch damit zu tun, dass sie deren provozierendes Widerständigkeitspotential gegen die herrschenden Gewalt nicht mehr ernst nimmt. Die Demos bieten nun Kommunikation unter freien Himmel an, wissen also wie man die da oben knechtschaffend anzusprechen hat, sind damit total Demokratiekonform, müssen die Polizeigewalt nicht mehr fürchten.