Kolumne: Wunderbare Welt der Illusionen
Menschen, die sich für etwas zuständig fühlen? Die kennt man in Europa nur aus dem Fernsehen - oder aus Afrika
E s ist eine schöne Welt, die wir jeden Tag im Fernsehen zu sehen bekommen - und sie hat nichts mit der Realität zu tun. Leider. Schön ist die Welt des Films selbst dann, wenn böse Leute abscheuliche Dinge tun oder gleichgültige Leute notwendige Dinge nicht tun oder dumme Leute dumme Dinge tun. Denn in jedem Fall sind es wenigstens konkrete Personen, die handeln. Man kann sie identifizieren, man kann sich über sie beschweren, man kann sich gegen sie wehren. All das ist möglich. Im Fernsehen. Im wahren Leben hingegen sind wir immer häufiger anonymen Mächten ausgeliefert. Sie wollen uns nicht einmal Böses antun. Sie interessieren sich einfach nicht für uns.
Bettina Gaus ist Afriks-Kennerin, Buchautorin und politische Korrespondentimn der taz.....
Manchmal entsteht für eine kurze, beglückende Zeit der Eindruck, man habe es doch gelegentlich mit lebendigen Männern und Frauen zu tun, und es gebe Leute, die für etwas zuständig sind. Dieser Eindruck trügt.
Schon mal einen Flug per Internet gebucht? Gar noch bei KLM? Sie sollten darüber nachdenken, ob Sie nicht doch lieber zu Fuß gehen wollen. Zwei elektronische Tickets bestellt. In der Buchungsbestätigung taucht zweimal derselbe Name für beide Reisenden auf. Meiner. Der von meiner Tochter hingegen gar nicht. Höfliche Bitte, den offenkundigen Fehler zu beheben. Per Internet und telefonisch. Verbunden mit dem Hinweis, dass ich nicht zweimal gleichzeitig reisen kann. Und meine Tochter überhaupt nicht, wenn ihr Name in der Buchung nicht auftaucht. Sofortmaßnahme von KLM: die Drohung, meine Buchung kostenpflichtig zu stornieren.
Aber es geschehen noch Wunder. "Für den vorangegangenen schlechten Service möchten wir uns entschuldigen. Sie sind in der Tat an unerfahrene Mitarbeiter geraten. Nochmals, es tut uns leid." Eine herrliche Mail. Alles ist sofort vergeben und vergessen. Die Warteschleifen, die Telefongebühren, der Ärger. KLM hat sich entschuldigt und mich wissen lassen, ich könne jetzt "ohne Sorge" den Flugpreis überweisen. Was ich tat.
Flughafen Berlin. Zwei elektronische Tickets, beide auf meinen Namen. Verhandlung. Weitere Verhandlung. Wedeln mit dem Entschuldigungsbrief. Der besage gar nichts, erklärte die KLM-Angestellte unwirsch. Und sie könne für all das sowieso nichts. Aber man lasse uns jetzt erst mal aus Kulanzgründen nach Amsterdam fliegen. Ob wir von dort aus die Weiterreise nach Nairobi antreten könnten, sei ungewiss.
Flughafen Amsterdam. Mein Name im Computer. Zweimal. Der von meiner Tochter gar nicht. Verhandlung. Drei Stunden, bis zehn Minuten vor Abflug. Auftritt einer ranghöheren KLM-Mitarbeiterin, die erklärte, sie sei an all dem völlig unschuldig. Aber man lasse uns jetzt fliegen, und sie werde die Angelegenheit mit Nairobi klären, damit wir beim Rückflug nicht dieselben Probleme hätten. Dafür bräuchte sie aber - na, was wohl? Erraten. Den Entschuldigungsbrief. Den waren wir also los.
Nairobi, Büro Kenya Airways, der Partnergesellschaft von KLM. Mein Name im Computer. Zweimal. Der von meiner Tochter gar nicht. Der Angestellte von Kenya Airways hat offenbar noch nicht verstanden, wie das System funktioniert. Er schaute verblüfft auf den Monitor, meinte, das sei doch widersinnig, und änderte den Eintrag. Ohne zu erklären, er sei unschuldig oder nicht zuständig. Nein, einfach so. Wie es sein gesunder Menschenverstand gebot. So kann das ja nichts werden mit Afrika.
Immerhin: Das Filmprogramm auf den Flügen war gut. Auf dem Hinflug verliebte sich Kate Winslet in einen lebendigen Mann. Auf dem Rückflug jagte Denzel Washington einen lebendigen Verbrecher. Der Verbrecher war für seine Taten zuständig, der Mann für das Glück von Kate. Wunderbare Illusionen.
Der Rückflug war übrigens verspätet. Wir verpassten unsere Anschlussflüge, mussten eine Nacht in Amsterdam verbringen und hatten keine bestätigten Tickets für den Weiterflug am folgenden Tag, sondern standen auf der Warteliste. Das war uns in Nairobi noch anderes versprochen worden. Aber dafür konnten die Angestellten in Amsterdam natürlich nichts. Und dafür waren sie auch nicht zuständig.
Fragen zu Nairobi? kolumne@taz.de
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