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KolumneWoke up this morning

Kommentar von Renée Zucker

Die Serie "Die Sopranos" erzählt so genau wie erbarmungslos die Geschichte meiner Generation.

I saw at one point that our mothers are (pauses) theyre bus drivers. Theyre - no, they are the bus. See, theyre the vehicle that gets us here. They drop us off and go on their way. They continue on their journey. And the problem is that we keep tryin to get back on the bus, instead of just letting it go.

(Ich hab irgendwann erkannt, dass unsere Mütter - dass sie Busfahrer sind. Sie sind - nein, sie sind der Bus. Sie sind das Fahrzeug, das uns hierherbringt. Sie lassen uns raus und fahren weiter. Sie setzen ihre eigene Reise fort. Und das Problem ist, dass wir dauernd versuchen, wieder in den Bus zu kommen, anstatt ihn einfach fahren zu lassen.) Tony Soprano in seiner letzten Analysesitzung

Nun soll es also endgültig vorbei sein. So, wie es eigentlich fast nach jeder Folge der "Sopranos" hätte vorbei sein können. Aber es ging einfach immer weiter. Nur die Protagonisten wurden immer hässlicher.

Big T, wie der Mafiaboss von seinen Untergebenen respektvoll genannt wurde, verwahrloste zusehends, Carmela, seine Frau, verhärtete im Verblühen, seine Analytikerin Dr. Melfi ist die Müdigkeit und das Scheitern an diesem Patienten und an den eigenen Ambitionen anzusehen, die hübsche Meadow hat ihr berechnendes Wesen verfeinert und der kleine, verwirrte A. J. ist ein heimatloser, depressiver und selbstmitleidiger Feigling geworden, oder wie es Dr. Melfi in der letzten Stunde sarkastisch zusammenfasst: "Der Junge, der sich sonst um nichts geschert hat, kümmert sich nun um zu viel "

Am augenfälligsten jedoch ist die Veränderung in Tony Sopranos Gesicht. Es war nie besonders hübsch und anziehend, aber nun sind die schmalen Lippen nur noch bösartig aufeinander gepresst und die Schweinsäuglein ohne Funkeln und Strahlen. Außer bei diesem einen Mal auf Peyote in der Wüste. Da war es vermutlich das Licht des Sonnenaufgangs. Und er dachte wahrhaftig, Gott habe zu ihm als Auserwählten gesprochen, während seine Leute zu Hause in New Jersey asbestverseuchten Müll ins Schilf kippen.

Sein Lächeln, in dem manchmal der kleine, gewitzte Tony aufblitzte, seine Intelligenz, sein Humor, seine Empfindsamkeit, seine Hoffnungen, - dieses Lächeln, mit dem er früher sogar seine Analytikerin bezirzen konnte, wirkt nicht mehr. Es ist nur noch ein schmieriges und gieriges Grinsen. Tony Soprano hat schon lange fertig und will es nicht merken. Deshalb war vielleicht das vermeintliche Ende so abrupt. Ein schwarzer Bildschirm als Vorhang des Schweigens. Was gäbe es noch zu sagen? Das endgültige Todesurteil hatte Dr. Melfi schon gesprochen, als sie ihn aus der Praxis wies. Sie tat dies übrigens nicht aus einer Position der Stärke heraus. Aber es war richtig. Zumindest für sie, die schon beinahe mit zur Familie gehörte. Eine Komplizin im Schweigen.

Wie Carmela, seine Frau. Für die gab es auch ein Todesurteil. Aber schon in einer viel früheren Staffel. Der Lehranalytiker von Doktor Melfi warf sie aus der Praxis, als klar war, dass sie ihren Mafia-Boss-Gatten nicht verlassen würde. "Wovon soll ich dann leben und wer bezahlt die Ausbildung der Kinder?" Er ließ sich diese Stunde nicht einmal bezahlen, weil er nicht zum Komplizen werden und kein Geld nehmen wollte, an dem Blut klebt. Seine Schülerin, Doktor Melfi, kennt diese Art von altmodischen Skrupeln nicht mehr. Sie gehört zu einer anderen Generation. Sie ist vorurteilsfrei und neugierig. Vor allem neugierig.

Einmal steigt sie bei den Gastgebern einer Party auf die Kloschüssel, um aus dem Fenster auf Tonys Grundstück zu lugen. Selbst als ihr eigenes Leben durch die Nähe zum Mob in Gefahr ist, lässt sie nicht von ihm ab. 86 Folgen lang hört sie sich seine immer wieder gleichen Geschichten an, während ihre Ehe in die Brüche und sie selbst bei Peter Bogdanovic in die Analyse geht. Oscargewinner Bogdanovic, der selbst wunderbar freundliche Gaunerfilme gemacht hat, führte bei einer Folge Regie und taucht ab und an als typisch spießiger, seine Neugier kaum zügelnder Vorstadttherapeut Dr. Eliot Kupferberg auf.

Wie wenig die siebenjährige Therapie bei Tony Soprano bewirkt hat, wie sehr jegliche Therapie scheitern muss, die versucht, einen anderen Menschen aus ihrem Klienten zu machen, wird in dem letzten Dialog zwischen Melfi und Soprano klar. Tony ist frustriert, weil seine Tochter nun doch nicht Medizin studieren will. "Doktor Soprano, das klingt so hübsch. All die teure Ausbildung dafür, dass sie am Ende heiratet, ein paar Kinder rauspresst und nur ein paar Jahre gearbeitet hat." "Ich arbeite immer noch" sagt Doktor Melfi und Tony antwortet mit einem Satz, der alles, was bisher in diesem Raum zwischen den Beiden geschah, mit einem Schlag wegfegt: "Ja, aber Sie sind geschieden." Es sind diese kleinen, harmlosen Sätze, die enthüllen, dass sich niemand ändern wird, der nicht sein Leben ändern will, ein kleiner, harmloser Satz, der Bindungen für immer kappen kann.

Die Sopranos erzählen so genau und so erbarmungslos wie kaum eine andere Serie die Geschichte meiner Generation. Kinder von Eltern, die ihr Leben auf Verbrechen aufbauten und daraus eine Ideologie bastelten. Die das Recht des Einzelnen auf Bereicherung Individualismus nannten und zur westlichen Kultur erklärten. Kinder, die scheinbar aus der Scheinheiligkeit ausbrachen, sich aber am Ende von ihren Eltern nur darin unterscheiden, dass sie um ihre Bigotterie wissen. Am Ende ist der Mensch dem Menschen ein Wolf und es zählt nur das eigene Rudel. Und bei Tony nicht mal das.

Wenn die Mutter dich nicht liebt, dein Vater dir beibringt, zu töten, dein Onkel versucht, dich umzubringen; wenn die Tochter, wie alle Frauen, dich irgendwann irgendwie enttäuscht und der Sohn, statt die gebotene Nachfolge anzutreten, auch schon seine depressiven Geschichten dem nächsten Analytiker erzählt - wer bleibt dann noch? Deine fromme Carmela, die vorgibt, von nichts was zu wissen und in Krisenzeiten immer wieder durch Schmuck, Pelzmäntel und immer größere Autos rumzukriegen ist und zu Geburtstagen einen Blowjob spendiert?

Das Verführerische an Tony, wie bei Verbrechern überhaupt, war, dass er der letzte Mann nach 68 schien. Ein Wilder in einer zivilisierten Welt. Ein anarchistischer Widerstandskämpfer aus Bloomfield, New Jersey, der in der Woche schnaufend fünf Frauen flachlegen kann und am Ende tagelang im weißen Bademantel umherschlurft, den er offen lassen muss, weil er zu fett geworden ist, mit quäkender Stimme wie ein alter Mann nuschelt, und dessen Überlebenskenntnisse sich darauf reduzieren, Kaffee aus dem Vollautomaten zu beziehen und zur richtigen Zeit jemanden auf seine Seite zu ziehen, um jemanden anderen umzubringen.

Seien wir uns nicht allzu sicher, dass unsere Realität Meilen von diesen Archetypen entfernt ist. Nur in Nuancen.

In zehn Jahren wissen wir wieder ein bisschen mehr, was aus uns geworden ist - und dann wollen wir auch unbedingt wissen, wie es um die überlebenden Sopranos steht.

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