piwik no script img

Kolumne ZumutungPlanschen im sozialen Abklingbecken

Anja Maier
Kolumne
von Anja Maier

Das Beste an der Kinderbefreiung: Zu zweit Mangocreme essen und nichts sagen müssen. Weil man sich längst wortlos versteht.

Man muss ja nicht immer reden: zwei Löffel im Dreivierteltakt Bild: ap

D er Samstag verlief großartig. Der Mann und ich hatten zeitungknisternd gefrühstückt, um anschließend allerlei Dinge zu verrichten. Was halt so anliegt in einem kinderbefreiten Haushalt: Wäsche aufhängen, Rechnungen begleichen, Mutti anrufen. Und natürlich die Töchter.

Als es dunkelte, griffen wir eine Flasche Wein und machten uns auf den Weg zu jener Geburtstagsparty, auf die eingeladen zu sein uns das beruhigende Gefühl gab, mit Ende vierzig nach wie vor über ein vitales Sozialleben zu verfügen.

Ein Jahr zuvor war das letzte Kind ausgezogen, damit war unsere nächstcoole Lebensphase angebrochen. Und das Jahr war gut gewesen. Wir hatten das Kinder- in ein Arbeitszimmer umrenoviert. Wir waren zu einem Festival gereist, um auf einer Kuhweide zu zelten. Wir hatten uns angerufen, um uns fürs Kino zu verabreden. Wir waren spazieren gegangen, um zu reden. Kurzum, das Jahr war ungefähr so großartig gewesen wie unsere kinderlose Kennenlernzeit.

Als wir nun an diesem Abend bei der Party ankamen, war die Wohnungstür blockiert. Ein winziger Lauflernling saß vor dem Eingang auf seinem Windelhosenboden. Rasch ward er fortgetragen vom Vater. Wir folgten der Lärmspur in die Küche und trafen auf die Jubilarin. „Glückwunsch! Wie alt? Come on, erst die Fünfzig soll ja wehtun.“ Sie lächelte zaghaft, konnte uns den Wein aber nicht abnehmen, weil in ihren Armen ihr Sohn schlief.

Unsere soziale Außenseiterposition

Wir schauten uns um. Parkett und Stuck, an den Wänden Großformatfotos und Kinderkrakelbilder. Alle Stühle und Sofas waren besetzt: Eltern fortgeschrittenen Alters gönnten ihren Rücken etwas Schonung. Zu ihren Füßen rutschten Kinder übers Parkett, während Mama und Papa sich an ihren BioZisch-Flaschen festhielten. Ein heteronormatives Schaubild, wie es sich die Bundesregierung nicht schöner wünschen kann: Akademikereltern, die alles haben (außer vielleicht ausreichend Schlaf).

Der Mann und ich akzeptierten unsere soziale Außenseiterposition. Wir würden einfach im Stehen warten, bis die richtigen Erwachsenen kämen. Bis dahin labten wir uns an Bier und einer Mangocreme, die wir mit zwei Löffeln von einem Teller speisten. Während wir schweigend löffelten, entspann sich in einer Mütterecke ein Gespräch, in dem es im Großen und Ganzen um Mangel an Rücksicht auf Eltern ging. „Sorry!?“, zischte eine der Frauen, „sorry, dass ich hier mit dem Kinderwagen lang will. Mann! Die Leute gucken immer so giftig.“

Die Mitmütter nickten verständnisinnig, um sich einem weiteren Hassthema zuzuwenden: Langweilerpärchen. Nicht mit anzusehen, wie die schweigend in Restaurants rumsäßen. „Da ist doch der Ofen längst aus“, sagte die eine. Ganz schlimm, ergänzte die andere, seien Paare, die sich gemeinsam Essen teilten; das sei ungefähr so sexy wie ein Seniorenteller.

Der Mann und ich schauten uns an. Wir ließen unsere Löffel in die Mangocreme sinken, holten unsere Mäntel und gingen. Großartig: Nach all den Jahren mussten wir gar nichts sagen, wir dachten eh dasselbe. Es wurde dann noch ein sehr lustiger Abend in der Bar gegenüber.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Gar MancheR, die/der über die stille Vertrautheit "älterer" Paare läsert, schwärmt uns etwas vor von nonverbaler Kommunikation, die sie/er mit seiner Katze führt.. Cheers.

  • M
    Mangocremefürzweiistpeinlich

    Ooch Anja, Du und "der Mann" seid ja solche Spassbremsen!

    Warum hat man Euch beide denn auf die Party eingeladen? Jaa, genau, damit Ihr so richtig Kontrastprogramm macht.

    Du, Anja, hättest den gefrusteten Papis die Ansichten Benjamin Franklins über Beziehungen nahebringen sollen während "Der Mann" über "nachehelichen Unterhalt", "temporäre Patchworkfamilien" und die "Begehrlichkeit der MILFs" referiert und dabei baggert wie ein Caterpillar.

    Aber nein, Ihr führt Euch auf wie ein Rentnerpaar aus dem Seniorenheim.

    Danke DANKE! Durch Euch haben mehrere Ehepaare mal wieder hautnah erleben müssen, was nach dem Auszug der Kinder bleibt: Ein sprachloses Nebeneinander das nur durch "gemeinsame" Alkoholexzesse unterbrochen wird.

    Das Highlight trauter Zweisamkeit, das rituelle Löffeln aus einem Teller, ist doch nur das sacrificium für das eigene und das gemeinsame Leben.

    Und so wurden noch in der Nacht, spätestens aber am nächsten Werktag, Pillen vernichtet, Kondome durchstochen und Spiralen entfernt um nur ja nicht in den Strudel des Jahrzehnte andauernden Morbus postfilii gesogen zu werden.

    Hat aber auch sein Gutes. U made my day, honey-bunny. Als echter homo belli urbanicus brauche ich genau diese Gegner.

    Vier Mamies mit Kinderwägen und plärrenden Kindern im Weg zu stehen ist eine weitaus größere Herausforderung als einer juvenilen Kreuzberger Strassengang Türken"witze" der 80er zu erzählen.

    Eine Horde spätberufener Väter am "Männertag" mit selbstgebrannten Spirituosen abzufüllen, ihnen intimste Details über Ihre "Mutti" zu entlocken und diese, versehen mit "lustigen" Photos des Gelages und dem aktuellen Standort an selbige zu mailen schafft eine Atmosphäre wie im Heysel.

    Gegen ein samstägliches Mittagessen im überfüllten IKEA-Restaurant wirkt der Parcours in Raffali wie der Osterspaziergang mit Omi am Arm.

     

    PS Dem Bild nach zu urteilen war es eine Crème brulée und keine Mangopampe. Aber klar, das Alter spielt einem so manchen Streich.